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Bauwerkstypologie: Stadtmauer

Die Stadtmauer im Mittelalter

Mittelalterliche Befestigungsanlagen in Deutschland

Das Bild einer Stadt im Mittelalter ist neben den hochragenden Sakralbauten vorrangig durch die Stadtmauer mit ihren Türmen und Stadttoren geprägt. Sie diente über alle Jahrhunderte hinweg als schützende Befestigungsanlage vor Angreifern. Zusätzlich besaßen Wehranlagen eine sehr starke repräsentative Funktion. Im Vergleich zu anderen Epochen und Gesellschaften definiert die Mauer im Mittelalter einen eigenen Rechtsbereich.1 

"Einen burger und einen gebuer scheit nicht me wen ein czuhen und ein muer."2
(Einen Bürger und einen Bauer scheidet nichts als ein Zaun und eine Mauer.)

Das Zitat aus dem sächsischen Landrecht belegt die oben aufgeführte Aussage und zeigt auf, dass die Stadtmauer als baulich räumliche Grenze im Mittelalter entschied, wer sich als Bürger einer Stadt betiteln durfte und wer als Bauer. Sie klärte die unterschiedlichen Rechts- und Machtbereiche, sowie die kulturelle und geistige Grenze zwischen Stadt und Land.3

Bild [1]: Skizze eines Aufbaus einer Wehranlage im Mittelalter
Bild [1]: Skizze eines Aufbaus einer Wehranlage im Mittelalter [+]


Der wichtigste Aspekt einer Stadtmauer war ihre Abgrenzung zum Umland. Man erhielt einen geschlossenen Wirtschafts- und Sozialraum im inneren Stadtbereich. An den Schnittstellen zwischen außen und innen, wurden die Stadttore errichtet.

Bestandteil jeder Befestigungsanlage waren die Wehrgänge auf der Mauerkrone (siehe Abb. [1]). Die Aufgänge waren sehr unterschiedlich ausgebaut und lagen meist innerhalb der Maueranlage. Außerhalb der Mauer waren Türme in regelmäßigen Abständen angebaut, die nicht höher als die Umfassungsmauer selbst waren. Ausgenommen davon sind die Türme an allen Stadttoren und Torburgen.4

Stadtmauern sind massive Konstruktionen aus bearbeiteten oder unbearbeiteten Steinen. Die untere Begrenzung, bzw. Standfläche wird Mauersohle genannt, der obere Anschluss Mauerkrone. Die Dimensionen, hier am Beispiel der Frankfurter Stadtmauer, werden mit Länge, Höhe und Dicke angegeben (siehe Abb. [2]). Mit der Mauerstärke wird Auskunft über die Festigkeit und Standhaftigkeit gegeben.5

Bild [2]: Skizze eines Schnittes einer Stadtmauer
Bild [2]: Skizze eines Schnittes einer Stadtmauer [+]


Ein jeder Bürger musste beim Mauerbau seine Dienste und Abgaben leisten, da der Bau der Steinmauern sehr kostspielig war.6 Transportkapazität, Personal, Verpflegung der Arbeiter, Bau und Beschaffung der nötigen Materialien und Gerätschaften verschuldeten einen hohen finanziellen Aufwand und eine besondere Anforderung an Organisation und Logistik. Hieraus entwickelten sich vielerorts die ersten kommunalen Finanzbehörden, um die entsprechenden Mittel aufzubringen.

Der Arbeitsaufwand für den Mauerbau der Stadt Limburg an der Lahn zeigt dies. Die hessische Kleinstadt benötigte im Mittelalter zum Bau ihrer Befestigungsanlage unter anderem 21.000 Kubikmeter Bruchsteinmauerwerk, 12.000 Kubikmeter unbebauten Raum und 50.0000 Kubikmeter Erdaushub. Hierfür bedurfte es über 1.000.000 Arbeitsstunden, die Vorarbeiten nicht inbegriffen.7

Wälle, Mauern und andere Befestigungsanlagen lassen sich bereits mit dem Bau der ersten Siedlungen nachweisen. Wichtige Elemente der Stadtmauer werden in der Antike entwickelt und später im Mittelalter übernommen.

Eine der ersten mittelalterlichen Stadtmauern lässt sich in Frankfurt am Main um 1000 nachweisen.8 Diese war zunächst sehr einfach gehalten. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurden im gesamten Reich, alle deutschen Städte, die das Privileg des Befestigungsrechtes erhielten, mit einer Wehrmauer geschützt. Die Abgrenzung war erforderlich um das Steuer- und Abgabewesen zu überprüfen und das Marktprivileg einer jeden Stadt zu schützen.9 Im 15. Jahrhundert ergänzte man diese durch eine besondere Ausgestaltung der Stadttore.10 Offenbar wurde jetzt der repräsentative Anspruch auf die Mauern und Tore im 15. Jahrhundert größer. Am Beispiel der Frankfurter Stadtmauer wurden Erweiterungen, durch mehrere Mauerringe und eine große Bastion, bis in das 17. Jahrhundert hinein vorgenommen (siehe Abb. [3]).


Bild [3]: Schnitt durch die Frankfurter Stadtmauer von 1631
Bild [3]: Schnitt durch die Frankfurter Stadtmauer von 1631 [+]

Das größte Bauvorhaben im Mittelalter bildete der Kölner Mauerring, mit einer Gesamtlänge von 4,6 km11,  im internationalen Vergleich sind Stadtmauern in Deutschland, jedoch eher klein.12

 

Literaturverzeichnis

Binding, Günther (1998): Architektonische Formenlehre. 4. Aufl. Darmstadt: Wiss. Buchges.

Matheus, Michael; Oldenstein, Jürgen (2003): Stadt und Wehrbau im Mittelrheingebiet. Stuttgart: F. Steiner (Mainzer Vorträge, Bd. 7).

Meckseper, Cord (2011): Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter. Sonderausg., 3. Aufl. Darmstadt: WBG Wiss. Buchges.

Schröteler-von Brandt, Hildegard (2014): Stadtbau- und Stadtplanungsgeschichte. Eine Einführung. 2. Aufl. 2014. Wiesbaden: Springer Vieweg.

Untermann, Matthias (2009): Handbuch der mittelalterlichen Architektur. Aufl. 2009. Darmstadt: Konrad Theiss Verlag GmbH.

Leistikow, Dankwart (1986): Die Leproserie als Sonderform des mittelalterlichen Hospitals. In: Architectura 16 (1986), S. 114–129.
Online verfügbar unter http://www.digizeitschriften.de/dms/img/?PPN=PPN522561411_0016&DMDID=dmdlog19, zuletzt geprüft am 12.04.2014.

Toson, Bettina (2012): Mittelalterliche Hospitäler in Hessen zwischen Schwalm, Eder und Fulda. Darmstadt: Hessische Historische Komm. Darmstadt. (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, Bd. 164).

Untermann, Matthias (2009): Handbuch der mittelalterlichen Architektur. Darmstadt: Wiss. Buchges.

 


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Matheus und Oldenstein 2003, S. 47–48
2 Meckseper 2011, S. 90
3 Schröteler-von Brandt 2014, S. 41-42
4 Schröteler-von Brandt 2014, S. 41–42
5 Binding 1998, S. 59
6 Schröteler-von Brandt 2014, S. 41–42
7 Matheus und Oldenstein 2003, S. 69–70
8 Untermann 2009, S. 192-194
9 Schröteler-von Brandt 2014, S. 41–42
10 Matheus und Oldenstein 2003, S. 47-48
11 Schröteler-von Brandt 2014, S. 41-42

12 Matheus und Oldenstein 2003, S. 66

Bild [1]: Zeichnung und Beschriftung: Pfeifer, Johannes (2015) in Anlehnung an: Güß, Peter 2013, http://www.schule-bw.de/unterricht/faecheruebergreifende_themen/landeskunde/modelle/epochen/mittelalter/staedte/durlach/b11.jpg
Bild [2]: Zeichnung und Beschriftung: Pfeifer, Johannes (2015) in Anlehnung an: Güß, Peter 2013, http://www.schule-bw.de/unterricht/faecheruebergreifende_themen/landeskunde/modelle/epochen/mittelalter/staedte/durlach/b11.jpg
Bild [3]: Dillich; Lindheimer Otto (1885), online zugänglich: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frankfurt_Am_Main-Stadtbefestigung-Dilich-
Durchschnitt-1631.gif

 

Zitiervorschlag:
Pfeifer, Johannes (2015): „Die Stadtmauer im Mittelalter“; urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Gebäudetypologie; URL:

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 16. September 2015
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Johannes Pfeifer PDF

 

 

 

 

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