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Bauwerkstypologie: Ganerbenburg
Ganerbenburg
Der Begriff Ganerbenburg wird im späten Mittelalter geprägt und ist eine Zusammensetzung der drei Worte Gan, Erben und Burg. Der Ursprung des Wortes Gan kommt aus dem Altdeutschen und bedeutet „gemein(sam)“. Schon aus der Begriffserläuterung lässt sich schließen, dass es sich um eine Burg handelt, die von vielen, größtenteils durch Erben, gemeinsam genutzt wird.1
Bild [1]: Ansicht der Burg Eltz vom Elztal [+]
Ganerbenburgen entstehen, wenn eine Ganerbschaft gegründet und eine Burg aufgeteilt wird. „Unter Ganerben versteht man Personen, die an einer ihnen bereits zufallenden oder in Zukunft zufallenden Erbschaft zur gesamten Hand beteiligt sind“.2 Meist handelt es sich um Brüder, Vettern oder sonstige enge Verwandte des Adels. Diese Erbschaft wird durch Vertrag oder Konvention geregelt. Vertragspartner können zum einen ausgewählt sein, zum anderen werden sie durch eine enge Erbfolge bestimmt. Andere Entstehungsgründe waren Teilverkauf sowie Eroberung einer Burg durch eine Gruppe.3
Der große Unterschied von einer Ganerbenburg zu einer normalen Burg liegt nicht nur im rechtlichen Bereich sondern auch in der räumlichen Gestaltung. Die Vertragspartner bekamen einzelne Wohneinheiten, so dass die Ganerbenburg viel dichter und voller wurde, je mehr Vertragspartner es gab.4
Die meisten Ganerbenburgen waren so organisiert, dass die getrennten Wohneinheiten zu einem innen liegenden Hof hin zugewandt waren.5 Die Teilung der Burg durch die Ganerben erfolgte nicht immer gleichwertig. Das heißt, dass nicht jeder Ganerbe den gleichen Anteil erhalten musste, sondern jeder besaß eine Marzahl6, die über die Größe seines Grundstücks entschied.7 Oft wurde die reale Teilung der verschiedenen Besitzbereiche nicht mehr architektonisch nachvollziehbar, sondern nur über Verträge zu erschlossen. |
Bild [2]: Innenansicht des Hofs der Burg Eltz [+] |
Neben privaten Einzelnutzungen gibt es auch Gemeinschaftsbereiche, dazu gehört jede Ausstattung, die nur einmal auf der Burg vorhanden ist (Burgstraße, Ringmauer, Torhaus, Brunnen). Die Kosten dafür und für den allgemeinen Haushalt werden auf alle Ganerben verteilt. Dieses System ist nicht frei von Komplikationen, da gemeinschaftlich genutzte Bauten nicht auf einem privaten Bereich stehen dürfen, was aber auch vorkam.8
Die Hauptnutzung der Ganerbenburg in Friedenszeiten war die Familienbehausung. Neben der sozialen und wohnlichen Bedeutung besaß die Ganerbenburg auch eine strategische. Oft waren sie auf hohen Felsplateaus mit steilen Felshängen auf allen Seiten gebaut, sodass sie nur von einer, maximal zwei Eingängen aus angegriffen werden konnten. Dies ermöglichte eine sehr effektive Verteidigung der Burg, deren Insassen und Schätze. Die Familien, die dort lebten hatten die Aufgabe die Burg baulich in Stand zu halten, damit wenn nötig die Burg optimal gegen Angriffe standhielt.9 Um dies zu erfüllen stellten sie den sogenannten „Bausmeister“ ein. Neben dem „Baumeister“ enthielt die Ganerbenburgbesatzung je nach Burg auch noch Wächter, Söldner (nur bei Notfällen), adelige Burgmannen und Turm- bzw. Torhüter.10
Ganerbenburgen wurden ursprünglich nicht als solche entworfen oder geplant. Erweiterungen waren nur in die Höhe und Dichte möglich, sodass es sehr eng und dunkel in den Hofbereichen wurde. Es existieren nur sehr wenige Beispiele wo die Ganerbenburg von Anfang an als solche geplant wurde wie z.B. die Schwarzburg, wo die Anteile der Partner besser und geräumiger organisiert werden konnten.11
Das Ziel jedes Familienmitglieds war unbedingt auf der Burg wohnen zu bleiben. Verlassen wurde diese nur, wenn eine faktische Teilung nicht mehr möglich war. Oft gab es viele Ganerben, die nicht auf der Burg wohnen konnten, weil es keinen Platz mehr dafür gab. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Ganerbenburg Münzenberg, die bis zu 48 Mitgliedern zählte.12
Dieses Erbschaftssystem hatte das große Problem, dass die Ressourcen endlich waren. Dazu kam noch die Teilung des Besitzes in kleine Einheiten. All dies führte im Fortschreiten des Mittelalters zu einer Verarmung der auf der Ganerbenburg lebenden Familien.
Burg Eltz
Einer der besten Beispiele für eine Ganerbenburg ist die Burg Eltz. Es handelt sich um eine typische Ganerbenburg, die von mehreren Erben bewohnt wird. Sie ist eine der wenigen, die bis heute noch nicht zerstört wurde.
Sie befindet sich auf einem hohen Felskopf, der vom Fluss Elz formiert wurde. Die steilen Hänge und der Fluss bieten einen guten Schutz. Dazu liegt sie mitten an einem wichtigen Weg. Dieser verbindet nämlich die Mosel, eine Haupthandelsstraße, mit dem fruchtbaren Maifeld sowie der Eiffel.13
Sie ist entsprechend einem Aufbau einer Ganerbenburg sehr hoch (höchste Stelle ist 10 Geschosse hoch) (Abb.3) und dessen Wohneinheiten sind zu einem inneren Hof hin gerichtet. Sie besitzt acht Wohntürme mit vielen spitzen Dächern, Erkern, Giebeln und Schornsteinen, die die verschiedensten Stile, von der Romanik bis hin zum Frühbarock wiederspiegeln.14 |
Bild [3]: Frontalansicht der Burg Eltz [+] |
Vom Ursprung der Burg oder ihrer Ursprungsform ist nicht viel bekannt. Man kann nur ahnen, dass es im 12. Jahrhundert von einer Familie aus Trier gebaut wurde. Die einzigen Überreste vom 12. Jahrhundert der Burg sind die massiven Befestigungsanlagen an der West-Seite (siehe Nr.4 in Abb.4) sowie der sieben-geschossige Bergfried am süd-westlichem Ende des Burghofs (siehe Nr.5 in Abb.4).15
So wie die meisten Ganerbenburgen, war die Burg Eltz am Anfang eine gewöhnliche Burg bis nach 4 Generationen (1268) die erste Stammesteilung auftauchte. So entstanden die drei Hauptlinien Eltz-Kempenich (siehe Nr.1 in Abb.4), Eltz-Rodendorf (siehe Nr.2 in Abb.3) und Eltz-Rübenach (siehe Nr.3 in Abb.3) der Burg Eltz, weil die Ganerbschaft aus drei Brüdern entstand.
Legende:
Nr.1 (orange) = Eltz-Kempenich
Nr.2 (blau) = Eltz-Rodendorf
Nr.3 (lila) = Eltz-Rübenach
Nr.4 = massive Befestigungsanlage
Nr.5 = Bergfried Platt-Elz
Bild [4]: Lageplan der Burg Eltz [+]
Literatur- und Quellenverzeichnis
Badische Seiten, Ganerbenburg. Online verfügbar unter http://www.badische-seiten.de/wissen/ganerbenburg.php, zuletzt geprüft am 13.06.2015.
Böhme, Horst Wolfgang (1999): Geschichte und Burgenlandschaften. Stuttgart: Theiss (Burgen in Mitteleuropa : ein Handbuch / hrsg. von der Deutschen Burgenvereinigung e.V. durch Horst Wolfgang Böhme., 2).
Dötsch, Anja; Ottersbach, Christian (2008): Burg Breuberg im Odenwald. Vom stauferzeitlichen Adelssitz zur Residenzburg und Festung. 1. Aufl. Regensburg: Schnell & Steiner (Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen : Broschüre, 28).
Großmann, G. Ulrich; Ottomeyer, Hans (2010): Die Burg. Wissenschaftlicher Begleitband zu den Ausstellungen "Burg und Herrschaft" und "Mythos Burg" ; [Publikation der Beiträge des Symposions "Die Burg" auf der Wartburg, 19. - 22. März 2009]. Dresden: Sandstein ([Burg], […]).
Losse, Michael (2013): Das Burgenbuch. Stuttgart: Konrad Theiss Verlag.
Piper, Otto; Meyer, Werner (1967): Burgenkunde. Frankfurt: Weidlich.
Reid, Richard; Hipp, H. Rüdiger (2010): Baustilkunde. 3500 Bauten aus der alten und neuen Welt ; alle Epochen und Stile in über 1700 Zeichnungen. Neuaufl. Leipzig: Seemann (Ein Dorling-Kindersley Buch).
Ritzenhofen, Ute (2010): Burg Eltz. 3., durchges. Aufl. Berlin, München: Dt. Kunstverl. (Grosser DKV-Kunstführer).
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
1 Losse 2013, S.135
2 Böhme 1999, S.39
3 Losse 2013, S.135 , Böhme 1999, S.39
4 Ritzenhofen 2010, S.13-14
5 Reid und Hipp 2010, S.140
6 Marzahl = Quote
7 Böhme 1999, S.40
8 Piper und Meyer 1967 S.575
9 Großmann und Ottomeyer 2010, S.102-103
10 Dötsch und Ottersbach 2008, S.10
11 Piper und Meyer 1967, S.575
12 Piper und Meyer 1967, S.575
13 Ritzenhofen 2010, S.5-6
14 Reid und Hipp 2010, S.140, Ritzenhofen 2010, S.10, Badische Seiten
15 Ritzenhofen 2010, S.7-8
Bild [1]: Bildindex, Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 1.041.103; Datum 1895/1920; Online verfügbar unter: http://www.bildindex.de (Stand: 14/06/2015)
Bild [2]: Bildindex, Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 1.041.104; Datum 1895/1920; Online verfügbar unter: http://www.bildindex.de (Stand: 14/06/2015)
Bild [3]: Bildindex, Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 1.041.101; Datum 1895/1920; Online verfügbar unter http://www.bildindex.de (Stand: 14/06/2015)
Bild [4]: Zeichnung und Beschriftung: Da Silva, Edy (Stand: 18/06/2015) in Anlehnung an: http://www.rathscheck.de/images/006_Presse/2012/Daecher_der_Burg_Eltz_saniert/Rathscheck_Schiefer_Burg_Eltz_Abb_08.jpg
Zitiervorschlag:
Da Silva, Edy (2015): „Ganerbenburg“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Gebäudetypologie, URL: http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/gebaeudetypologie/repraesentation/ganerbenburg.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 13. November 2015 Autorin(nen) oder Autor(en): Edy Da Silva PDF |