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Bauwerkstypologie: Apotheke

Apotheke

 

Der Begriff „Apotheke“ stammt vom lateinischen Lehnwort „apotheca“ ab. Dieses lässt sich auf das griechische Wort „apotheke“ (Substantiv des Verbs apotithenai = ablegen, niederlegen, aufbewahren) zurückführen. Ursprünglich bezeichnet es einen dauerhaften Lagerraum für die unterschiedlichsten Waren.1 Im pharmazeutischen Sinn findet das Wort, wie es auch heute noch verwendet wird, erst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Verwendung.2

Obwohl sich nördlich der Alpen heilkundliche Traditionen in den Klöstern entwickelten, konnte der Apothekerberuf nur in der Stadt entstehen, da dort die zahlende Kundschaft lebte. Dadurch war er abhängig von der Entwicklung der Stadt.3 Resultierend daraus, waren die ersten Apotheken in Deutschland in den aufstrebenden Handelsstädten zu finden. Sie traten in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf.4 Zu dieser Zeit erlebten viele Städte einen wirtschaftlichen Aufschwung. Im Zusammenhang hiermit erfolgte auch die erste Strukturierung des öffentlichen Gesundheitswesens.5 Die ersten Bestimmungen in Europa wurden im „Constitutiones Fredderici II“ 1241 festgelegt. Hier wird zum ersten Mal von Personen gesprochen, die sich mit der Arzneimittelherstellung befassten. Dadurch galt das Jahr als „Geburtsjahr der Institution Apotheke“.6 Diese Einrichtung musste sich erst entwickeln, damit sich der Begriff „Apotheke“ im heutigen Sinn etablieren konnte.7 Schon im 14. Jahrhundert war eine Erlaubnis zum Betreiben einer Apotheke notwendig.8 Ein Jahrhundert später war es vor allem in Norddeutschland üblich, dass die Obrigkeit die Betriebserlaubnis für die Apotheke behielt und der Apotheker nur als Leiter eingesetzt wurde. So entstanden Stadt-, Rats- und Hof-Apotheken. Während in Norddeutschland auch das Mobiliar und die Gerätschaften zur Verfügung gestellt wurde, erhielt der Apotheker in Süddeutschland lediglich die Räumlichkeiten.9

 

Abb. 1: Offizin; Wetzlar, Schwarzadlergasse 2; um 1703; Foto: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975)

Abb. 1: Offizin; Wetzlar, Schwarzadlergasse 2; um 1703; Foto: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975) [+]

Die ersten Apotheken waren genau wie andere Verkaufsstände hölzerne Hütten, auch Gaden oder Schragen genannt. Diese befanden sich in der Nähe des Marktplatzes und waren oft direkt an die Kirche angebaut. Sobald die Zubereitung der Arzneien aufwändiger wurde, waren Apotheken in größeren Steinhäusern aufzufinden.10 Hier wurden die einzelnen Aufgabenbereiche in geeigneten Räumen untergebracht.11 Um die täglich anfallende Arbeit erledigen zu können, waren folgende Räume notwendig: die Offizin, das Laboratorium, die Material- und Kräuterkammer sowie der Arzneikeller.12 In der Offizin wurden sowohl die zusammengesetzten Arzneien als auch die einzelnen Bestandteile der Rezepturen aufbewahrt. Dort befand sich auch der Rezepturtisch, an dem die Medikamente hergestellt wurden. Dieser Raum lag im Erdgeschoss des Gebäudes und verfügte über ein breites Fenster.13 Durch diese Öffnung wurde der Kunde bedient, da das Betreten der Apotheke nicht gestattet war.14 In dem Laboratorium wurden durch alchemistische Verfahren Arzneimittel hergestellt. Dafür befand sich in dem Raum mindestens ein Ofen, aber auch andere Wärmequellen wie beispielsweise Öllampen und Dungkästen.15 Die Material- und Kräuterkammer befand sich meistens im Dachboden. Hier wurden in großen Schubladenschränken die Zutaten gelagert, die trocken bleiben mussten. Zudem gab es auf dem Dachboden auch Trockengestelle um die frischen Kräuter vor der Einlagerung zu trocknen. Rohstoffe, die eine kühle Lagerung vertrugen oder benötigten, wurden im Arzneikeller aufbewahrt.16
 

Abb. 2: Blick in die Kräuterkammer im Dachgeschoss mit Holzfässern; Coburg, Melchior–Otto–Platz; 1486/1500; Foto: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975)

Abb. 2: Blick in die Kräuterkammer im Dachgeschoss mit Holzfässern; Coburg, Melchior–Otto–Platz; 1486/1500; Foto: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975) [+]

 

Die Melissche Apotheke in Marburg


1527 gründete Thomas Melis in Marburg eine Apotheke, nachdem er als Universitäts- und Stadtapotheker eingestellt worden war. Er war der erste Apotheker in Marburg, der kein Angehöriger des landgräflichen Hofes war. Dies hatte zur Folge, dass er Abgaben an die Stadt zahlen musste.17 Allerdings hatte er im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine zeitliche Begrenzung in seinem Dienstbrief vermerkt. Daraus lässt sich das Bestreben nach der Einführung der Apotheke als bleibende Institution erkennen.18 Die Apotheke wurde nach dem Tod von Thomas Melis von seinem Sohn Heinrich weitergeführt. Dieser verstarb 1549, worauf seine Witwe die Leitung übernahm. Diese heiratete 1563 den Apotheker Gotthardt Moßhamer.19 Er betrieb die Apotheke bis zu seinem Tod 1596. Daraufhin erbte sein Schwiegersohn Michael Stoß den Betrieb und führte so die Familientradition fort.20 Aufgrund der Bevölkerungsminimierung durch den 30–jährigen Krieg wurde die Apotheke nach dessen Tod allerdings geschlossen.21

Vermutlich wurde die Apotheke in der Reitgasse 15 gegründet, die sich gegenüber der Marktgasse befand. Dort war sie bis zu ihrer Schließung angesiedelt.22 In eben diesem Gebäude eröffnete Hermann Herbst 1719 wieder eine Apotheke, die Trauben–Apotheke.23 1969 wurde das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.24

 

Abb. 3: Ansicht der Trauben-Apotheke; Marburg, Hirschberg 15; 1476/1500?; Zeichnung: Rumpf, Karl (1963)

Abb. 3: Ansicht der Trauben-Apotheke; Marburg, Hirschberg 15; 1476/1500?; Zeichnung: Rumpf, Karl (1963) [+]

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Helmstädter, Axel; Hermann, Jutta; Wolf, Evemarie (2011): Leitfaden der Pharmaziegeschichte. 2., überarb. Aufl. Eschborn: Govi-Verl.

Huwer, Elisabeth (Hg.) (2015): Das Deutsche Apotheken-Museum. Schätze aus zwei Jahrtausenden Kultur- und Pharmaziegeschichte. Deutsche Apotheken-Museum-Stiftung; Verlag Schnell & Steiner GmbH. 3., überarbeitete Auflage. Regensburg: Schnell + Steiner.

Krebs, Wolfgang (2016): Die Reitgasse in Marburg. Online verfügbar unter http://www.marburg-net.de/reitgasse.htm, zuletzt aktualisiert am 09.12.2016, zuletzt geprüft am 02.02.2017.

Lochbühler, Michael T. (1987): Zur Geschichte des Apothekenwesens in Marburg von den Anfängen bis zum Jahr 1866. Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1986. Marburg: Presseamt d. Stadt (Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, 23).

Rossner, Christiane (2007): Eine kleine Kulturgeschichte der Apotheke | Monumente Online. Mörser, Kräuter, Rezepturen. Online verfügbar unter http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2007/3/moerser-kraeuter-rezepturen.php#.WJnEGn8vxsD, zuletzt geprüft am 21.01.2017.

Schmitz, Rudolf (1998): Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters. Unter Mitarbeit von Franz-Josef Kuhlen. Eschborn: Govi-Verlag (Geschichte der Pharmazie; 1).


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 AXEL HELMSTÄDTER, JUTTA HERMANN, EVEMARIE WOLF, Leitfaden der Pharmaziegeschichte, 2. Aufl., Eschborn, 2011, 93
2 RUDOLF SCHMITZ, Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters, Eschborn, 1998, 449
3 SCHMITZ (Fn. 2), 460
4 C. ROSSNER, Eine kleine Kulturgeschichte der Apotheke | Monumente Online, Mörser, Kräuter, Rezepturen, 2007, http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2007/3/moerser-kraeuter-rezepturen.php#.WIO9QVx2D_K
5 SCHMITZ (Fn. 2), 471
6 SCHMITZ (Fn. 2), 450
7 HELMSTÄDTER, HERMANN, WOLF (Fn. 1), 93
8 HELMSTÄDTER, HERMANN, WOLF (Fn. 1), 101
9 HELMSTÄDTER, HERMANN, WOLF (Fn. 1), 102
10 HELMSTÄDTER, HERMANN, WOLF (Fn. 1), 95

11 ELISABETH HUWER (Hrsg.), Das Deutsche Apotheken-Museum, Schätze aus zwei Jahrtausenden Kultur- und Pharmaziegeschichte, 3. Aufl., Regensburg, 2015, 55
12 HELMSTÄDTER, HERMANN, WOLF (Fn. 1), 95
13 HUWER (Fn. 11), 55 f.
14 C. ROSSNER, Eine kleine Kulturgeschichte der Apotheke | Monumente Online, Mörser, Kräuter, Rezepturen, 2007, http://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2007/3/moerser-kraeuter-rezepturen.php#.WIO9QVx2D_K
15 HUWER (Fn. 11), 88
16 HUWER (Fn. 11), 82 f.
17 MICHAEL T. LOCHBÜHLER, Zur Geschichte des Apothekenwesens in Marburg von den Anfängen bis zum Jahr 1866, Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1986, Marburg, 1987, 176 f.
18 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 177
19 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 179
20 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 182
21 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 183
22 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 433
23 LOCHBÜHLER (Fn. 17), 546
24 W. KREBS, Die Reitgasse in Marburg, 09.12.2016, http://www.marburg-net.de/reitgasse.htm

Abbildung 1: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975), Bilddatei-Nr. fm1559482
http://www.bildindex.de/document/obj20247395?part=0&medium=fm1559482, Stand: 02.02.2017; veröffentlicht mit der Genehmigung von Bildarchiv Foto Marburg

Abbildung 2: Schmidt-Glassner, Helga (vor 1975), Bilddatei-Nr. fm1559473
http://www.bildindex.de/document/obj20367893/?medium=fm1559473, Stand: 02.02.2017; veröffentlicht mit der Genehmigung von Bildarchiv Foto Marburg

Abbildung 3: Rumpf, Karl (1963), Aufnahme-Nr. 418.757, Microfiche-Scan mi12637e08
http://www.bildindex.de/document/obj20269805/?medium=mi12637e08, Stand: 07.02.2017; veröffentlicht mit der Genehmigung von Bildarchiv Foto Marburg

 

Zitiervorschlag:
Nötscher, Rebecca
(2017): „Apotheke“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bautechnik, URL:http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/gebaeudetypologie/handel/apotheke.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 23. November 2017
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Rebecca Nötscher PDF

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