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Bauwerkstypologie: Gasthaus
Gasthaus
Als Gasthaus werden Bauwerke bezeichnet, die zur Beherbergung und Verpflegung von Menschen öffentlich genutzt werden. Solch ein Gebäude war und ist öffentlich zugänglich und wurde als Platz zum Ausruhen und Stärken genutzt.1
Das Wort „Gasthaus“ leitet sich von dem lateinischen Wort „Herribergum, Albergum“ (Unterkunft, Haus) ab. Lange Zeit blieb das Wort vieldeutig. Man einigte sich im 12.Jahrhundert auf die Bezeichnung des Gasthauses in dem gewerblich gegen Entgelt Unterkunft gewährt wurde.2 Das Gasthaus war am Eingangsbereich hängenden Schildes zu erkennen.3 Die Unterscheidung zwischen einem gastlichen Haus und einem Gasthaus ergab sich aus dem Ausmaß an Öffentlichkeit.
Beispielsweise gehörte zur jeder Taverne Öffentlichkeit im Sinne von allgemeiner Zugänglichkeit unter dem Schutze des Tavernenherrn, während das gewöhnliche Haus wegen des Hausfriedens nur dem zugänglich war, den der Hausherr einließ.4
In den Städten begann sich die Verlagerung der Beherbergung aus Pfalzen, Bischofssitzen, Klöstern und Adelshöfen zuerst in Bürgerhäusern abzuzeichnen, dann zu bereits gegen Entgelt beherbergenden Bürgern und schließlich in eigentliche Wirtshäuser vom 12.Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert. In Deutschland zwangen sowohl der gewaltige Schwund der städtischen Pfalzen während und nach dem Interregnum als auch die wachsende Geld- und Kreditwirtschaft die Herrscher seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, neben gelegentlichen Besuchen von Pfalzen, Burgen und Klöstern immer häufiger in vornehmen städtischen Bürgerhäusern abzusteigen. Die Möglichkeit, einen persönlichen Gastfreund zu beherbergen, wurde seit dem 14. Jahrhundert eingeschränkt, da immer mehr Gasthäuser als Funktionsbauten errichtet wurden. Es wurde jedem Bürger gestattet nahe Freunde und Bekannte zu beherbergen jedoch ohne Entgelt.5
Abb.1: Gasthaus "Krawallschachtel", 1526, Frankfurt (Main) [+] |
Abb.2: Wohn- und Gasthaus, Frankfurt (Main) [+] |
Der äußere Bautyp ähnelte seit dem 15./16. Jahrhundert einem Gilde- und Innungshaus. Als Baumaterial wurde meist Holz oder auch Stein verwendet. Der Grundriss war meist rechteckig um den Hof errichtet. Der Gastwirt musste mindestens ein Gästebett nachweisen, damit das Haus als Gasthaus bezeichnet werden konnte.
Im Spätmittelalter gab es dann Gasthäuser mit allem erwünschten Komfort. Sie bestanden aus einem großen Gebäudekomplex, der ein Back-, Schlacht- oder Brauhaus mit Ställen beinhaltete sowie Lagerschuppen und einem Hof, der zum Abstellen von Wagen zur Verfügung stand. Wohlhabende und weniger wohlhabende Gäste wurden aus Platzmangel gleich untergebracht. Die Ställe und Lagerorte befanden sich ebenerdig, Wohnräume wiederum im Obergeschoss. Die Bettanzahl von kleinen Gasthäusern lag bei drei bis sechs Betten im Gegensatz zu großen, wo die Bettanzahl bei fünfzehn bis zwanzig Betten lag.6 Bei persönlichen Wünschen auf Bezug des Komforts und gutes Essens wurden Boten vorausgeschickt, die Betten, Decken, Teppiche mitnahmen und dafür sorgten, dass bei Ankunft alles Erwünschte zur Verfügung stand.7
Neben der spontanen, unentgeltlichen Aufnahme von Gästen hat es „organisierte“ Formen der Gastlichkeit gegeben, wie Beherbergung von Glaubensgenossen, herrschaftliche und kommerzielle Beherbergung.
Abb.3: Schachtzabelbuch: Eingangsbereich, Gastwirt empfängt Gäste [+] |
Abb.4: Haus Wertheym, 1551/1600, Frankfurt (Main) [+] |
Das Haus Wertheym ist um 1600 in Frankfurt am Main (am Römerberg) erbaut worden. Das Gebäude gilt als einzigstes Bau in der Frankfurter Altstadt, der in der Kriegszeit überlebt hat. Über dem Erdgeschoss und den auskragenden oberen Stockwerken befindet sich eine Giebeldachkonstruktion. Das Erdgeschoss besteht aus einer Steinkonstruktion. Der bau- und nutzungsgeschichtlichen Aspekten nach muss es einen Vorgängerbau gegeben haben, denn die Historie des ältesten Gasthauses der Stadt beginnt bereits 1479.
1530 brach die Pest aus und das Gebäude wurde geräumt und geschlossen.1644 bis 1750 wurde das Gebäude für verschiedene Zwecke genutzt bis schließlich 1812 nach großen Umbaumaßnahmen das Gasthaus wieder zur Nutzung offenstand.8
Literatur- und Quellenverzeichnis
Fried, Johannes (2007): Zu Gast im Mittelalter. München: Beck.
Koepf, Hans; Binding, Günther (1999): Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem und italienischem Fachglossar. 3. Aufl. Stuttgart: Kröner (Kröners Taschenausgabe, 194).
Krohn, Niklot (Hg.) (2009): Für Seelenheil und Bürgerwohl. 750 Jahre Stiftskirche und Spital Lahr (1259 - 2009). Alten- und Pflegeheim Spital. Lahr: Kaufmann.
Muhlack, Monika (2014): Genuss mit Geschichte in Hessen. Einkehr in historischen Gasthöfen, Wirtshäusern und Weinstuben. neue Ausg. München: Volk Verlag.
Ohler, Norbert (1988): Reisen im Mittelalter. 2., durchges. Aufl. München: Artemis-Verl. Peyer, Hans Conrad (1987): Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter. Hannover: Hahn (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 31).
Peyer, Hans Conrad; Müller-Luckner, Elisabeth (Hg.) (1983): Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter. Historisches Kolleg; Kolloquium "Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter". München: Oldenbourg (Schriften des historischen Kollegs Kolloquien, 3).
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
1 Koepf, Hans; Binding, Günther (1999): Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem und italienischem Fachglossar. 3. Aufl. Stuttgart: Kröner (Kröners Taschenausgabe, 194), S.198 + Krohn, Niklot (Hg.) (2009): Für Seelenheil und Bürgerwohl. 750 Jahre Stiftskirche und Spital Lahr (1259 - 2009). Alten- und Pflegeheim Spital. Lahr: Kaufmann, S.316
2 Peyer, Hans Conrad (1987): Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter. Hannover: Hahn (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 31), S.206
3 Ohler, Norbert (1988): Reisen im Mittelalter. 2., durchges. Aufl. München: Artemis-Verl. , S.129
4Peyer, Hans Conrad (1987): Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter. Hannover: Hahn (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 31), S.222
5 Peyer, Hans Conrad (1987): Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter. Hannover: Hahn (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, 31), S.207-209
6 Peyer, Hans Conrad; Müller-Luckner, Elisabeth (Hg.) (1983): Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter. Historisches Kolleg; Kolloquium "Gastfreundschaft, Taverne und
Gasthaus im Mittelalter". München: Oldenbourg (Schriften des historischen Kollegs Kolloquien, 3), S.258
7 Ohler, Norbert (1988): Reisen im Mittelalter. 2., durchges. Aufl. München: Artemis-Verlag, S.113
8 Muhlack, Monika (2014): Genuss mit Geschichte in Hessen. Einkehr in historischen Gasthöfen, Wirtshäusern und Weinstuben. neue Ausg. München: Volk Verlag, S.109-111
Abb.1: Gasthaus "Krawallschachtel", 1526, Frankfurt (Main), Alte Gasse Foto Marburg, Foto: Schröder, Walter; Aufnahme-Nr. 05274 f 12 Aufn.-Datum: um 1950/1971
Abb.2: Wohn- und Gasthaus, Frankfurt (Main), Fahrgasse 63 Foto Marburg, Aufnahme-Nr. KBB 10.515; Aufn.-Datum: 1885/1920; Repro (1977/1982)
Abb.3: Schachtzabelbuch, 237 579 Stuttgart LB Cod.poet. 2 o 2 :Schachtzabelbuch,1467 fol 268v Federzeichnung: Gastwirt empfängt Gäste, Aufn. 1963-67
Abb.4: Haus Wertheym, 1551/1600, Frankfurt (Main), Fahrtor 1 Foto Marburg, Foto: Schröder, Walter; Aufnahme-Nr. C 912.765; (Color); Aufn.-Datum: um 1960; Fotoinhalt: Hauptansicht
Zitiervorschlag:
Hasirci, Derya (2016): „Gasthaus“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Gebäudetypologie, URL: www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/gebaeudetypologie/funktionsbauten/gasthaus.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 30. November 2017 Autorin(nen) oder Autor(en): Derya Hasirci PDF |