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Bauteiltypologie: Satteldach
Satteldach
1. Einleitung
Als Satteldach bezeichnet man geneigte Dächer, bei denen zwei gegenüberliegende Dachflächen sich an ihrem höchsten Punkt, dem Dachfirst treffen (siehe Abbildung 1). Die Flächen, die sich an den Außenseiten bilden, sozusagen zwischen den beiden Dachflächen, bezeichnet man als Giebel. Diese Dachform findet man in fast allen Regionen der Welt, in denen es zu nennenswerten Regenfällen kommt. In trockenen Regionen findet man dagegen fast ausschließlich flache Dächer, die wie ein Trichter das wenige anfallende Wasser ins Innere des Hauses leiten.1
Bild [1]: Haus mit Satteldach in Frankfurt, Erbaut 1292 [+]
2. Geschichtliche Hintergründe
Zwei gegenüberliegende Dachflächen, welche sich an Ihrem höchsten Punkt treffen, stellen vermutlich eine sehr frühe Form der menschlichen Behausung dar. Mit dem Beginn der Steinzeit vor etwa 7000 Jahren und der damit verbundenen Sesshaftigkeit des Menschen wurden die ersten dauerhaften Häuser mit Satteldach errichtet. Diese waren bis zu 45 Meter lang und fassten unter einem Dach Nutzungen wie Wohnen, Handwerk und Tierhaltung zusammen.2
Im Laufe der Zeit wurden diese Gebäude immer aufwändiger, es fand öfter eine Trennung der verschiedenen Nutzungen statt, die baulichen Grundtypologien blieben jedoch teilweise bis in unsere Zeit erhalten.
Wie muss man sich die mittelalterliche Stadt und Ihre Dächer vorstellen?
Wenn man an den mittelalterlichen Stadtraum denkt stellt man sich oft Häuserreihen vor, bei denen fast immer der Giebel zur Straße gerichtet ist. Zuerst waren die Dachformen jedoch überwiegend gemischt, das Walmdach war dabei relativ weit verbreitet. Das Satteldach mit seinem zur Straße zeigenden Giebel kam erst verstärkt auf, als im späteren Mittelalter der Dachboden als Lagerfläche verwendet wurde, und man an der Giebelseite einen Art Flaschenzug befestigte, um Gegenstände hinaufzuziehen. Dieser Wechsel vollzog sich vermutlich im Laufe des 14. Jahrhunderts.3
3. Konstruktive Grundlagen
Konstruktiv kann man zwei Grundtypen von Dachstühlen unterscheiden, das Pfettendach und das Sparrendach.
Beim Sparrendach laufen die sogenannten „Sparren“ von der Traufe in Richtung Dachfirst, wo sich jeweils die beiden gegenüberliegenden Sparren treffen. Von unten sind die beiden Sparren über den Balken der Decke des darunterliegenden Geschosses verbunden. So entsteht ein kraftschlüssiges Dreieck, welches in der Lage, ist auch die horizontalen Kräfte aus dem Dach bzw. den Dachsparren aufzunehmen. Diese Dreiecke werden über die gesamte Dachlänge in einem Abstand von einem halben bis einem Meter hintereinander angeordnet. Zur Aussteifung des Dachs wird das Gespärre4, d.h. die Gesamtheit der Sparren, in Längsrichtung über Holzlatten miteinander verbunden. Oftmals wurde bei Sparrendächern, ein sogenannter „Kehlbalken“ eingezogen. Dies ist ein horizontaler Balken, der die jeweils gegenüberliegenden Sparrenpaare verbindet, um einseitig auftretende Lasten besser zu verteilen und die mit steigender Länge der Sparren zunehmende Durchbiegung zu reduzieren.
Bild [2]: Sparrendach und Pfettendach mit Kräfteverlauf [+]
Das Pfettendach arbeitet genaugenommen auch mit Sparren, jedoch liegen diese im Firstbereich auf der „Firstpfette“ auf, welche wiederum an ihren Enden jeweils auf dem Giebel aufgelagert ist. Bei größeren Dächer wird diese Firstpfette in ihrer Längsachse von Pfosten unterstützt. Bei langen Sparren kann zusätzlich noch eine Mittelpfette eingezogen werden, die auch wiederum von Pfosten unterstützt wird. Am unteren Ende liegen die Sparren auf der Fußpfette auf, welche auf der darunterliegenden Konstruktion aufliegt.
Statisch gesehen ist der Unterscheid zwischen beiden Dachformen jedoch noch sehr viel deutlicher (siehe Abbildung 2). Beim Pfettendach geben die Sparren die Lasten, welche sie aus der Dachdeckung, ihrer Unterkonstruktion und den äußeren Einwirkungen (Wind, Schnee etc.) aufnehmen, an die Pfetten weiter. Über die Pfetten werden die Lasten in den Giebel geleitet, welcher hierdurch eine statische Funktion übernimmt.
Beim Sparrendach wird die Last durch die Sparren direkt an den jeweiligen Dachbalken, auf dem sie stehen, weitergegeben. Die Dachbalken wiederum liegen auf der Traufwand auf, die dadurch letztendlich die gesamten Lasten ableiten muss.5 Die Giebelwand wird somit nur als Gebäudeabschluss genutzt und hat an sich keine statische Funktion.
Für die Deckung der Dächer wurde lange auf lokal verfügbare Materialien zurückgegriffen. Dies waren Stroh, Schilf, Holzschindeln und das heute noch verwendete Reet. Im späteren Mittelalter wurden verstärkt Regelungen erlassen, welche eine feuerfeste Dachdeckung vorschrieben.6 Dies waren neben Ziegeln und Kupfer auch Blei, welches jedoch recht schwer zu beschaffen war.7
4. Bautechnische Vorgänge
Mittelalterliche Dachstühle wurden aus Holz gezimmert, wie auch nahezu alle anderen tragenden Elemente eines Hauses. Die Bearbeitung erfolgte von Hand mit Werkzeugen, die in abgewandelter Form alle bis heute existieren und verwendet werden.
Interessant ist gerade im Bereich der doch relativ aufwendigen Dachstühle, dass die Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen meist komplett ohne metallene Verbindungselemente wie Winkel oder Nägel hergestellt wurden. Man verwendete zum Beispiel sogenannte Verzapfungen und Verblattungen. Verzapfungen sind Verbindungen an den Enden zweier Holzstücke. Das eine Holzstück erhält dabei ein reduziertes Ende, d.h. den Zapfen, das andere Holzstück erhält einen passenden Schlitz (siehe Abbildung 3). Verblattungen arbeiten nach einem ähnlichen Prinzip: Ein Holzstück erhält dabei am Ende einen Einschnitt, in den das Ende eines anderen Stücks mit einem passenden Ende (Blatt) eingelegt wird.8
Bild [3]: Schlitz und Zapfen [+]
Auch die Vorfertigung, welche bis heute gerade im Holzbau ein relevantes Thema ist, kannte man in gewisser Weise schon. Sparren, Balken etc. wurden am Boden liegend bearbeitet, dann mit Abbundzeichen versehen, um anschließend zusammengesetzt zu werden. Teilweise wurden ganze Elemente liegen zusammengesetzt und dann aufgerichtet.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Binding, Günther (1991): Das Dachwerk auf Kirchen im deutschen Sprachraum vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert. München: Deutscher Kunstverlag.
Binding, Günther; Linscheid-Burdich, Susanne; Wippermann, Julia (2002): Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter nach den Schriftquellen bis 1250. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Cheret, Peter (Hg.) (2010): Baukonstruktion. Handbuch und Planungshilfe. Berlin: DOM publ (Handbuch und Planungshilfe).
Günther Binding (Hg.) (1990): Fachterminologie für den historischen Holzbau. Fachwerk - Dachwerk. Unter Mitarbeit von Anette Roggatz. Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln. 2. überarbeitete Auflage. Köln.
King, Stefan; Lohrum, Burghard (2000): Historische Dachwerke. Eine Ausstellung von Modellen mittelalterlicher Dachkonstruktionen aus den Städten Konstanz, Ravensburg, Rottweil und Villingen. Hg. v. Stefan King. Institut für Architekturgeschichte, Universität Stuttgart. Stuttgart. Online verfügbar unter http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/13089, zuletzt geprüft am 03.11.2015.
Meckseper, Cord (2011): Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter. 3., unveränd. Aufl. Darmstadt: WBG.
Paul, Stefanie (2015): Die riesigen Häuser der Steinzeit-Menschen. Online Verfügbar unter http://www.aachener-zeitung.de/news/karlo-clever/die-riesigen-haeuser-der-steinzeit-menschen-1.1236245, zuletzt geprüft am 22.12.2015
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
1 Cheret 2010, S.283
2 Paul 2015
3 Meckseper 2001, S. 137-138
4 Binding; Roggatz 1990, S. 21
5 King; Lohrum 2000, S. 29-30
6 Meckseper 2010, S. 142
7 Binding/Linscheidt-Burdich 2002, S. 271
8 Binding; Roggatz 1990, S. 39
Bild [1]: Eigenes Foto, Schellgasse 8, Frankfurt am Main
Bild [2]: Eigene Zeichnung, Schnitt Sparrendach und Pfettendach mit Kräfteverlauf
Bild [3]: „Schlitz und zapfen“ von Böhringer, Friedrich - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 2.5 über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schlitz_und_zapfen.jpg#/media/File:Schlitz_und_zapfen.jpg
Zitiervorschlag:
Lemp, Lukas (2015): „Satteldach“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL: http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-s/satteldach.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 16. Februar 2016 Autorin(nen) oder Autor(en): Lukas Lemp PDF |