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Bauteiltypologie: Maßwerk
Maßwerk
Bauornament der Gotik
„Gemessenes Werk“, d.h. mit dem Zirkel geometrisch konstruiertes Bauornament.
Das Maßwerk ist ein für die Epoche der Gotik kennzeichnendes Bauornament und wurde, wie die gesamte gotische Baukunst, aus dem heutigen Frankreich nach Deutschland transferiert.
Maßwerk schmückt meist die Fenster eines Gebäudes, kommt aber auch an Fassaden und Brüstungen (Blendmaßwerk, Schleiermaßwerk) oder in Gewölben vor.
Das Fenstermaßwerk besteht aus dem Stabwerk, welches das Fenster in Bahnen unterteilt, und dem oberhalb der Kämpferlinie im Bogenfeld des Fensters liegenden Couronnement (franz.: (Be)krönung).
Die Fensterbahnen sind durch Bogen abgeschlossen.
Bild [1] und [2]
Das Stabwerk ist meist profiliert, es kann mit eingestellten Säulchen geschmückt sein. Der Binnengliederung des Fensters folgend ist das Maßwerk in verschiedenen Ebenen abgestuft (sog. Maßwerk 1., 2. und 3. Ordnung).
Eine Vorform des Maßwerks ist das Plattenmaßwerk, bei dem die Formen wie aus der Wand ausgestanzt wirken (wie z.B. in St. Gereon in Köln, 1219-27)
Frühe Maßwerkfenster zeigen im Couronnement oft einer Kreisform eingeschriebene Pässe oder Blätter.
Als erste reine Maßwerkfenster gelten die Chorfenster der Kathedrale von Reims (um 1215/20). Über den zwei Lanzetten jedes Fensters liegt ein Kreis mit einem liegenden Sechspass:
Bild [3] [+] |
Bild [4] [+] |
Diese Fensterform wird in Deutschland in der Marburger Elisabethkirche (ab 1235) und in Trier übernommen.
Ab 1230 entsteht in Frankreich das vierbahnige Maßwerkfenster, das über die Straßburger Münsterbauhütte (1250/70) und den Kölner Dom Verbreitung in Deutschland findet. Jeweils zwei Bahnen mit lanzettförmigem Abschluss und ein Kreis mit eingeschriebenem Vierpass sind von einem Spitzbogen überfangen. Zwischen diesen beiden Spitzbögen liegt ein Kreis mit eingeschriebenem Sechspass bzw. Sechsblatt mit leicht angespitzten Blättern. |
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Bild [5]: Straßburg, Münster, Hochschifffenster |
Um 1250 – 80 lösen sich die Drei- und Vierpässe aus der Kreisform, sie werden auch im Couronnement gestapelt.
Um 1290 - 1310 verdrängen oft Bogenvierecke und –dreiecke die Kreise, ihnen werden nun die Maßwerkformen 2. Ordnung eingeschrieben.
Bogenviereck mit eingeschriebenem stehendem Vierblatt Bogendreiecke mit eingeschriebenen Dreiblättern genaste Lanzetten |
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Eine wichtige Rolle für die Entwicklung des spätgotischen Maßwerks spielt die Familie der Parler.
Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts emanzipieren sich die Maßwerkformen im Couronnement vom Stabwerk der Bahnen. Vielgestaltige, oft rotierende Formen wie der Schneuß, einer Art Fischblase, treten auf.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Behling, Lottlisa (1944): Gestalt und Geschichte des Maßwerks. Halle (Saale): Max Niemeyer (Die Gestalt, 16).
Binding, Günther (1989): Maßwerk. Darmstadt: WBG.
Binding, Günther (1999): Architektonische Formenlehre. 4. Aufl. Darmstadt: Primus-Verl.
Straßburg (1894): Straßburg und seine Bauten. Straßburg: Trübner
Ungewitter, Georg G. (1890/92): Lehrbuch der gotischen Konstruktionen. 3. Aufl. Bd. 1.2. Leipzig: Weigel
Viollet-le-Duc, Eugène-Emmanuel (1854/1868): Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XIe au XVIe siècle. Bd. 1 – 10. Paris: Bance et Morel
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
Bild [1] und [2]: Ungewitter (1890/92), Ergänzungen (rot) von A. Schmelz
Bild [3]: Viollet-le-Duc (1854/1868),
URL: http://fr.wikisource.org/wiki/Fichier:Chapelle.absidale.cathedrale.Reims.2.png
(Stand: 12.01.2014)
Bild [4]: Viollet-le-Duc (1854/1868),
URL: http://fr.wikisource.org/wiki/Fichier:Fenetre.cathedrale.Reims.2.png
(Stand: 12.01.2014)
Bild [5]: Straßburg (1894)
Bild [6]: Foto A. Schmelz
Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2014): „Maßwerk“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL:<http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-m/masswerk.php>
letzte Aktualisierung dieser Seite: 13. Januar 2014 Autorin(nen) oder Autor(en): Annette Schmelz AS01-001 : PDF |