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Bauteiltypologie: Kreuzgratgewölbe

Kreuzgratgewölbe

Ein Gewölbesystem ist ein tragendes System aus Mauerwerk, oft genutzt in der Architektur seit der Antike. Gewölbe können bezeichnet werden als gewölbtes Mauerwerk, einschließlich einer Gewölbeleibung, das von Stützen getragen wird und einen Raum bedeckt.1 Ein Gewölbe macht es möglich, die Lasten von oben auf die Seiten eines Gebäudes zu transponieren. In den meisten Fällen sind Gewölbe definiert entweder durch die Verschiebung eines Bogens entlang der Richtung seiner Gewölbeleibung2 oder durch die Kreuzung mehrerer Gewölbe.3

Diese grundsätzliche Unterscheidung hat eine besondere Wichtigkeit, da es sich hier nur um Kreuzgratgewölbe handelt. Aber was genau sind Kreuzgratgewölbe?

 

Definition

Kreuzgratgewölbe werden durch die rechtwinklige Kreuzung von zwei Tonnengewölben gebildet. Ein Kreuzgratgewölbe besteht aus vier Kappen deren Aufeinandertreffen scharfe Grate bildet, die sich auf einem gemeinsamen Hochpunkt kreuzen.4

Tonnengewölbe Kreuzung zweier Tonnengewölbe
Abb. 1: Tonnengewölbe [+]
 
Abb. 2: Kreuzung von zwie Tonnengewölben [+]
KGG KGG Perspektive
Abb. 3: Kreuzgratgewölbe in den Apsiden, Notre-Dame-du-Port, Clermont [+]
 

Abb. 4: Kreuzrippengewölbe, perspektivische Ansicht des Seitenschiffs mit dem Eingang zu einer Kapelle [+]

Ein Kreuzgratgewölbe ist nicht zu verwechseln mit einem Kreuzrippengewölbe, bei dem keine scharfen Grate sichtbar sind wegen der Kreuzrippen, die zwischen jeder Kappe gebaut sind.

Mittelalterliche Kreuzgratgewölbe sind oft kuppelig gestaltet5 was zur Folge hat, dass ihr Scheitelpunkt höher liegt als die Scheitel ihrer Bögen. In der Spätromanik fand man häufiger „schirmartig aufgewölbte Gewölbekappen“6 die selbstragend sind. Oft war es nicht möglich mit den Steinen eine präzise geometrische Form zu bilden, dadurch wurde im Nachhinein mit Verputz eine scharfe Kante hergestellt.7 Kreuzgratgewölbe wurden aber nicht immer mit einzelnen Steinen gebaut, besonders in seiner Entstehungsform gab es hierfür andere Methoden, auf die der folgende Abschnitt näher eingeht.

Gewölbe

Abb. 5: Gebustes Gewölbe, Kurven, die aus Teilen von Ellipsen bestehen [+]


Geschichte

Kreuzgratgewölbe wurden während der Antike von den Römern erfunden, die Beton verwendeten, um ihre Kreuzgratgewölbe in einem Teil zu formen. Dieses römische Kreuzgratgewölbe wurde so von einem monolithischen Block gebildet, der aus der Sinter des Betons besteht, der in Ziegelsteinkästen gegossen wurde. Das römische Kreuzgratgewölbe wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts8 wieder in der romanischen Architektur aufgenommen. Dieses Mal aber nicht mehr als monolithischen Block, sondern als Kreuzgratgewölbe aus Mauerwerksverband, damals als ästhetischer und edler betrachtet.

Vouvant

Abb. 6: Vouvant, Kreuzgratgewölbe, Gurtbogen, Seitenschiff [+]

Kreuzgratgewölbe wurden in England, Nordfrankreich, Norditalien und Südwestdeutschland oft verwendet,9 besonders in der Konstruktion von Nebenräumen. Schon seit 1100 wurden Kreuzgratgewölbe als weniger hochwertiges Gewölbe10 betrachtet im Vergleich zu dem Rippengewölbe. Dies erklärt die häufige Verwendung der Kreuzgratgewölbe hauptsächlich für Nebenräume, die als weniger hochwertige Räume angesehen wurden.

Die letzten Kreuzgratgewölbe können bis ins frühe 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Es ist aber interessant zu wissen, dass viele Kreuzgratgewölbe, die in großen romanischen Kirchen gebaut wurden, im 14./15. Jahrhundert durch Rippengewölbe ersetzt geworden sind.11 Dieser Ersatz kann durch mit der Zeit verursachten Bauschäden oder demWunsch, religiöse Gebäude zu modernisieren, erklärt werden.


Erstellung

Konstruktion KGG

Abb.7: Konstruktion eines Kreuzgratgewölbes, Gewölbe der Aquitaine oder frühgotische Anglo-Normannen [+]

 
Materialien

Es gibt zwei verschiedene Varianten, wenn es um Materialien für die Konstruktion von Kreuzgratgewölben geht. Die römische Version, die aus Beton besteht, wurde in einem Stück gegossen. Für diese Variante waren deshalb keine anderen Materialien nötig als Beton und die Ziegelsteinkästen, in die der Beton gegossen wurde.

Für das klassische Kreuzgratgewölbe der romanischen Architektur war der Mauerwerksverband eine der wichtigsten Aspekte von Kreuzgratgewölben. Deswegen wurden Kreuzgratgewölbe aus dieser Zeit mit vielen verschiedenen Mauerwerksmaterialien gebaut: In den meisten Fällen Ziegelsteine oder Steinblöcke und der nötige Mörtel.12

Einsetzung

Der Mauerwerksverband eines Kreuzgratgewölbes ist ein kompliziertes System. Dieses System benötigt eine ausführliche Planung und eine hohe Genauigkeit, um die Verbindungspunkte sauber herzustellen und um einen präzisen Grat sichtbar zu machen. Nach der Planung des Kreuzgratgewölbes wurden Holzgerüste gebaut, die die Form des Gewölbes unterstützen. Die einzelnen Steine wurden dann nacheinander auf dieses Gerüst gelegt und von dem Mörtel zusammengehalten.13


Das fertige Gewölbe wurde dann auf Stützen oder Wände gelegt, wenn es sich um kleine Kreuzgratgewölbe handelte wie zum Beispiel die Kreuzgratgewölbe für Nebenräume. Wenn es sich um größere Gewölbe handelte, wie zum Beispiel die Kreuzgratgewölbe der Abtei von Vézelay, die die über 10,60 Meter lange Spannweite des Mittelschiffes tragen, wurden die Holzgerüste und das Gewölbe direkt vor Ort gebaut.14


Vorteile/Nachteile

Vorteile

Der größte Vorteil der Kreuzgratgewölbe ist die „punktförmige Ableitung der Lasten an den Ecken“,15 also der Fakt, dass die Lasten des Gebäudes in die Ecken transportiert werden können und nicht seitlich auf die Wände, wie zum Beispiel bei Tonnengewölben, abgeleitet werden. Die Konsequenz dieses Vorteils ist die Option große Öffnungen in die Schildwände zu integrieren,16 da diese Wände nicht mehr stark belastet sind. Ein Prinzip, das zu immer mehr Öffnungen und mehr Licht geführt hat und das den Grundstein für die spätere gotische Architektur gelegt hat.

Kreuzgratgewölbe haben nicht nur statische und damit gestalterische Vorteile, sondern können sich auch positiv auf die Nutzung eines Raumes auswirken. Zum Beispiel schützte ein doppeltes Kreuzgratgewölbe in Bädern die Dachkonstruktion aus Holz vor Feuchtigkeit, da diese zwischen den zwei Schalen zirkulierte.17

Nachteile

Die meisten Nachteile des Kreuzgratgewölbes findet man in dem Vergleich zwischen römischen und romanischen Gewölben. Eine Struktur, die aus einem Einzelteil besteht wird immer stabiler sein als eine Struktur, die aus mehreren kleineren Teilen besteht. Deswegen sind die romanischen Kreuzgratgewölbe aus Mauerwerksverband zwar stabil, aber weniger stabil als die Kreuzgratgewölbe, die die Römer als Einzelteil aus Beton gegossen haben.

Dazu ist es klar, dass es viel komplizierter ist, den ganzen Mauerwerksverband eines Gewölbes zu planen und zu realisieren, statt das Gewölbe aus Beton in einem Mal zu gießen. Das romanische Gewölbesystem kann deshalb leichter und schneller zur menschlichen Fehlern und Stereotomie-Problemen führen.


Beispiel aus der Region

Grundriss

 

Abb. 8: Grundriss der Basilika des Kloster Eberbach nach Ferdinand Luthmer, 1905 [+]

Ein gutes Beispiel für Kreuzgratgewölbe kann man im Kloster Eberbach finden. Das Kloster wurde 1136 in Rheinhessen gegründet und zeigte typische romanische Anzeichnen wie Schlichtheit und Verzicht auf ornamentalen Schmuck auf. Im Laufe der folgenden Epochen wurden viele Teile des Klosters umgestaltet im Stil der jeweiligen Zeit, jedoch blieben wichtige Gebäudeteile wie die Basilika und die Laiendormitorium im ursprünglichen Zustand. Dadurch kann man in der Basilika auch heute noch sehr gut erhaltene Kreuzgratgewölbe finden, die im Hauptschiff bis zu 9,8 Meter spannen.18

Wie man auf dem Grundriss erkennen kann, befinden sich über dem Hauptschiff sowie auch über den Seitenschiffen und Nebenräumen Kreuzgratgewölbe, die durch ein Kreuz symbolisiert werden und an einem strengen Raster ausgerichtet sind. Ausgeführt wurden die Gewölbe aus hellem Naturstein mit besonders präzise ausgebildeten Graten.

Eberbach

Abb. 9: Eberbach Abteikirche nach Westen [+]

 

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

HARTMANN-VIRNICH, ANDREAS, Was ist Romanik? Geschichte, Formen und Technik des romanischen Kirchenbaus, Darmstadt 2004.

LAVENU,MATHILDE;MATAOUCHEK, VICTORINE, Dictionnaire d'architecture, [S.l.] 1999 [= Collection Bien connaître].

NUSSBAUM, NORBERT; LEPSKY, SABINE, Das gotische Gewölbe. Eine Geschichte seiner Form und Konstruktion, München 1999.

PÉROUSE DE MONTCLOS, JEAN-MARIE, Architecture. Description et vocabulaire méthodiques, Paris 2011 [= Inventaire général du patrimoine culturel].

Stiftung Kloster Eberbach, Entstehung und Entwicklung der Zisterzienserabtei Eberbach, 2016. http://kloster-eberbach.de/stiftung-kloster-eberbach/historie/entstehung-und-entwicklung/ (abgerufen am 13.01.2018).

UNTERMANN,MATTHIAS, Handbuch der mittelalterlichen Architektur, Stuttgart 2009.

WENDLAND, DAVID, Laussaulx und der Gewölbebau mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche Architektur um 1825 - 1848 2008.


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 MATHILDE LAVENU, VICTORINE MATAOUCHEK, Dictionnaire d'architecture, [S.l.] 1999, S. 124
2 JEAN-MARIE PEROUSE DE MONTCLOS, Architecture. Description et vocabulaire méthodiques, Paris 2011, S. 290
3 LAVENU, MATAOUCHEK, S. 124
4 PEROUSE DE MONTCLOS, S. 300
5 MATTHIAS UNTERMANN, Handbuch der mittelalterlichen Architektur, Stuttgart 2009, S. 336
6 Ebd.
7 Ebd.
8 Ebd., S. 336
9 Ebd.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 DAVID WENDLAND, Laussaulx und der Gewölbebau mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche Architektur um 1825 - 1848 2008, S. 23
13 Ebd.
14 ANDREAS HARTMANN-VIRNICH, Was ist Romanik? Geschichte, Formen und Technik des romanischen Kirchenbaus, Darmstadt 2004, S. 183
15 UNTERMANN, S. 336
16 Ebd.
17 NORBERT NUSSBAUM, SABINE LEPSKY, Das gotische Gewölbe. Eine Geschichte seiner Form und Konstruktion, München 1999, S. 9
18 STIFTUNG KLOSTER EBERBACH, Entstehung und Entwicklung der Zisterzienserabtei Eberbach, 2016. http://kloster-eberbach.de/stiftung-kloster-eberbach/historie/entstehung-und-entwicklung/ (abgerufen am 13.01.2018)

 

Abb. 1 und Abb. 2: ATTIAS, NICOLAS, 2017, von Autor selbst erstellt.
Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5 und Abb. 7: VIOLLET-LE-DUC, EUGENE, Dictionnaire raisonné de l’architecture française du XIe au XVIe siècle/Construction – Voûtes. Wikisource, 2014.
Online: https://fr.wikisource.org/wiki/Dictionnaire_raisonn%C3%A9_de_l%E2%80%99architecture_fran%C3%A7aise_du_XIe_au_XVIe_si%C3%A8cle/Construction_--_Vo%C3%BBtes

Abb. 6: JAHNKE, JOCHEN, Vouvant, Kreuzgratgewölbe, Gurtbogen, Seitenschiff. Wikimedia, 2007. Online: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:F07.Vouvant.0039.JPG
Abb. 8: LUTHMER, FERDINAND, Grundriss der Basilika des Kloster Eberbach nach Ferdinand Luthmer, 1905. Wikimedia, 2015.
Online:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kloster_Eberbach_Grundriss_Basilika_nach_Luthmer.jpg
Abb. 9: MOGUNTINER, Eberbach Abteikirche nach Westen. Wikimedia, 2005. Online: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eberbach_Abteikirche_nach_Westen.jpg

 

Zitiervorschlag:
Attias, Nicolas (2018): „Kreuzgratgewölbe“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL: http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-k/kreuzgratgewoelbe.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 12. April 2018
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Nicolas Attias: PDF

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