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Bauteiltypologie: Erker

Erker

Ein Erker ist ein auskragendes Bauteil an einem Gebäude.

Der Erker ist ein geschlossenes, ein- oder mehrgeschossiges, aus der Fassade oder an Ecken heraustretendes Bauteil eines Gebäudes, das frei auskragt, also nicht mit dem Erdboden verbunden ist. Der Begriff lässt sich auf das Lehnwort arquière zurückführen, was im Nordfranzösischen für „Schießscharte“ oder „Schützenstand“ steht. Dem Wort arquière liegt das lateinische Wort arcus zugrunde, was sinngemäß Bogen bedeutet.1 Der Erker wird auch Aerker, Aekner, Arker, Ausgebäude, Ausstich oder Utstecke genannt.2

Die Konstruktion des Erkers, die meist auf Konsolen ruhte oder durch Säulen gestützt wurde, besteht aus Stein, Holz oder Fachwerk. Beim steinernen Erker wird eine Steinplatte von zwei Konsolen gestützt, diese werden eingemauert oder mit dem Mauerwerk verbunden. Falls die Steinkonsolen die Belastung des Erkers nicht alleine tragen konnten, mussten zusätzlich Eisenkonstruktionen eingearbeitet werden. Diese übertragen das Gewicht des Erkers auf den Mauerpfeiler.3 Der Fachwerkerker ruht auf vortretenden Deckenbalken, die von Holzkonsolen gestützt wurden.

Bild [1]: Steinerker Bild [2]: Fachwerkerker Bild [3]: Eckerker  
Bild [1]: Steinerker [+] Bild [2]: Fachwerkerker [+] Bild [3]: Eckerker [+]  


Der Erker wurde ursprünglich für Verteidigungszwecke konzipiert. Dieser sogenannte Wehrerker war gemauert oder hölzern und wurde an den Außenseiten der Stadtmauer über Toren oder an Gebäudeecken angebracht. Er war allseitig geschlossen, besaß nur Öffnungen in der Wand (Schießscharten) für Fernwaffen und im Boden Abwurfklappen, um Angreifer mit Gesteinsbrocken zu bewerfen und mit heißen Öl oder Pech zu begießen.4 Der sich ergebende Sichtwinkel von bis zu 270° erleichterte zudem die Beobachtung der angreifenden Feinde.

Bild [4]: Der Wehrerker an der Stadtmauer von Aachen
Bild [4]: Der Wehrerker an der Stadtmauer von Aachen [+]


Eine im Mittelalter entstandene Variante des Erkers war der Aborterker oder auch Abtritterker. Der Aborterker war ein vorkragender, an der Außenseite der Gebäude oder der Wehrmauer angebrachter Anbau. Dieser bestand aus Stein oder Holz und besaß ein nach unten hin offenes Loch, durch das die Exkremente entsorgt wurden. Bei Burganlagen befand sich der Aborterker über einem Burggraben oder abgelegenem Gelände. Manchmal führte auch ein Schacht zu Entsorgung schräg durch die Mauer.5 Bei Wohnbauten wurde der aus dem Obergeschoss auskragende Aborterker über oder in der Nähe von Wasserläufen, über Traufgassen und Hofbereichen gebaut.6

Bild [5]: Hölzerner Abtritterker über dem Birsig, Basel um 1880

Bild [5]: Hölzerner Abtritterker über dem Birsig, Basel um 1880 [+]


Aus dem Wehrerker entwickelte sich der sogenannte Stubenerker, der den Wohnraum erweiterte und durch Fenster, meist auf allen drei Seiten, für eine gute Belichtung sorgte.7 Der Erker befand sich überwiegend an Bürgerhäusern, Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden und wurde durch seine reiche Verzierung zum Repräsentationselement.8 Bei einzelnen Fachwerkhäusern wurde der Stubenerker für Erschließungszwecke genutzt: Damit Wohnraum für ein innenliegendes Treppenhaus eingespart werden konnte, wurde hierzu eine Treppe an den Erker angebaut.9

Der Erker lässt sich in drei Grundrisstypen gliedern, die auch eine zeitliche Einordnung ermöglichen. Die früheste Form ist der Kastenerker. Dieser bestand aus Stein und kragte flach vor. Er konnte auch als Sonderform mehrachsig und als Breiterker ausgebildet sein. Im Mittelalter wurde der Erker ab dem Obergeschoss angeordnet und mit einem Satteldach versehen, meist rechtwinklig zum Hauptfirst. Adelige und patrizische Wohnbauten zeichneten seit dem 14. Jahrhundert durch kleine Erker aus, die oft außen feinteilige Steinmetzarbeit zeigten. Konsole, Brüstung, Fensterzone und Dach nahmen Dekor und manchmal auch figürliche Darstellungen auf. Im Spätmittelalter (von ca. 1250 bis 1500) war der Polygonalerker weit verbreitet, meist als Eckerker. In der Renaissance war die Form der Runderker beliebt. In dieser Zeit begannen die Erker schon im Erdgeschoss und erhielten oftmals ihren oberen Abschluss durch eine Welsche Haube. Bei Burgbauten und Schlössern kamen in der Spätgotik und Renaissance die für bürgerliche Bauten typischen Eckerformen zum Einsatz, meistens aus Stein und reich verziert. Im späten 16. bis ins 18. Jahrhundert dominierte wieder der Kastenerker mit konkaven oder konvexen Schwüngen und künstlerischen Baumotiven. Eine Sonderform, die meist im Fachwerkbau verwendet wurde, war der Fenstererker, bei dem die Auskragung erst in der Brüstungshöhe begann.10

Bild [6]: Polygonalerker   Bild [7]: Runderker
Bild [6]: Polygonalerker [+]   Bild [7]: Runderker [+]

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Binding, Günther (1999): Architektonische Formenlehre. 4., bearb. und erg. Aufl. Darmstadt: Primus-Verl.

Burgen und feste Plätze (1996): Europäischer Wehrbau vor Einführung der Feuerwaffen : systematisches Fachwörterbuch = Chateaux-forts et places . 3., neu bearb. und erw. Aufl. München [u.a.]: Saur. (Glossarium artis, Bd. 1).

Durm, Josef: Die Baukunst der Renaissance in Italien. 2. Aufl. Leipzig: Gerhardt. (Handbuch der Architektur; Teil 2: Die Baustile, Bd. 5,1)

Gerner, Manfred (1997): Fachwerklexikon. Handbuch für Fachwerk und Holzkonstruktionen. Stuttgart: Dt. Verl.-Anst. [u.a.].

Keller, Béatrice (1981): Der Erker. Studie zum mittelalterlichen Begriff nach literarischen, bildlichen und architektonischen Quellen. Bern [u.a.]: Lang.

Kleindenkmäler in Stein, Stahl, Holz, Glas im Main-Taunus-Kreis (1988). Red. Otto Winterwerber. Hofheim am Taunus: Förderkreis Denkmalpflege Main-Taunus-Kreis.

Lübke, Wilhelm (1864): Denkmäler der Kunst. Stuttgart: Ebner & Seubert.

Nitz, Thomas (2005): Stadt, Bau, Geschichte. Stadtentwicklung und Wohnbau in Erfurt vom 12. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin: Lukas. (Erfurter Studien zur Kunst- und Baugeschichte, Bd. 2).

Nürnbergs Erker, Giebel und Höfe (1890). Photographische Aufnahmen. Hrsg. Martin Gerlach. Wien: Gerlach & Schenk

Warth, Otto (1993): Die Konstruktionen in Stein. 6. Nachdr. d. 7., verb. u. erw. Aufl. von 1903. Hannover: Edition "libri rari" Schäfer. (Allgemeine Baukonstruktionslehre mit besonderer Beziehung auf das Hochbauwesen, Bd. 1)

Warth, Otto (1982): Die Konstruktionen in Holz. Nachdr. d. 6., verb. und vollst. umgearb. Aufl. von 1900. Hannover: Edition „libri rari“ Schäfer (Allgemeine Baukonstruktionslehre mit besonderer Beziehung auf das Hochbauwesen, Bd. 2)


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Keller (1981), S. 12
2 Gerner (1997), S. 51
3 Warth (1993), S. 149-153
4 Keller (1981), S. 41
5 Burgen und feste Plätze (1996), S. 76
6 Nitz (2005), S. 172
7 Keller (1981), S. 59
8 Binding (1999), S. 91
9 Kleindenkmäler in Stein, Stahl, Holz, Glas im Main-Taunus-Kreis (1988), S.86
10 Binding (1999), S. 90-92

Bild [1]: Durm (1914)
Bild [2]: Warth (1982)
Bild [3]: Lübke (1864)
Bild [4]: Der Wehrerker.Aachen-Kupferstich-Merian von Matthäus Merian der Ältere.
Online im Internet:

 

Zitiervorschlag:
Gogova, Pavlina (2014): „Erker“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL:<http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-e/erker.php>

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 23. Juni 2014
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: Pavlina Gogova PG01-001 : PDF

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