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Bauteiltypologie: Bleidach

Bleidach

 

1. Allgemein

Das Bleidach ist eine Dachhaut aus Blei, welche in Form von Platten oder Bahnen auf einem Untergerüst befestigt wird. Es eignet sich vor allem für Dächer mit geringen Dachneigungen und für schwierige Formen wie Gauben, Durchdringungen und Anschlussflächen.
Obwohl Metalldeckungen ableitend sind und daher zu den dichtesten Deckungsarten zählen, sind sie nicht vollständig luft- und wasserdicht1. Um Schäden zu vermeiden, muss insbesondere die gründliche Untersuchung nach Holzwürmern und Insekten geschehen2. Sowie auch die Inspektion der Spaltmaße aufgrund der Ausdehnung, angesichts der Wärmeerzeugung bei direkter Sonneneinstrahlung. 

 

2. Geschichte

Bis ins Altertum wird die Verwendung und Verarbeitung von Kupfer und Blei zurückdatiert. Damals wurden die Metalle meistens als Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Gebäudeverkleidung weiterverarbeitet3. Zu Platten gegossene Bleiplatten für vornehme Bauten findet man bis in die merowingische und karolingische Zeit. Auch in älteren Kulturgebieten in Gallien und Germanien hat diese Form der Dachdeckung lange Zeit nachgewirkt4.
Um den schmuckhaften Eindruck der Bleideckung hervorzuheben wurde das Blei aufwändig verziert, und anschließend als: durchbrochene Firstkämme, Giebelkanten, Grat- und Helmblumen, Traufleisten und Wasserspeiern an den Gebäuden angebracht5.
Leider gingen viele der kunstvoll verzierten Gebäudeelemente verloren, da im Verlauf der Zeit viele Bedachungen aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes, ausgetauscht bzw. erneuert werden mussten6.
Eine besonders aufwändige Form der Verzierung ist die anschließende Vergoldung, hierfür wurde auf das punzierte Bleielement eine Goldschicht aufgetragen, die in Verbindung mit der entstehenden Patina des Bleis, eine prächtige Fernwirkung hatte7.
Gerade im Mittelalter erfreute sich das Bleidach steigender Beliebtheit, da sich, besonders für repräsentative Bauten wie Kirchen, die Deckung der komplizierten Dachgeometrie mit den einfach zu verarbeitenden Bleibahnen als besonders ökonomisch und zeitsparend herausstellte.
Im Laufe der Zeit nahm die Verwendung von Blei als Dachdeckung ab, da neue Materialien und Fertigungstechniken entwickelt wurden.
 


3. Funktion

Bei korrekt ausgeführten Brandschutzmaßnahmen ist das Blei als Dachdeckung eines der dauerhaftesten und beständigsten Materialien, zudem auch besonders solid im Hinblick auf die sich bildende Schutzschicht aus Oxid, welche eine interessante und einmalige Eigenschaft aufweist:
Im Gegensatz zu einem Gegenstand, der einen Schutz in Form einer Lasur etc. benötigt, um ihn vor äußeren Einflüssen zu schützen, entwickelt das Blei nach relativ kurzer Zeit eine eigene Schutzschicht aufgrund von Oxidation.
Der chemische Vorgang fußt auf der Reaktion korrosiver Agenzien mit dem metallischen Werkstoff8. Dieser bewirkt, dass sich bei der Oxidation von Blei eine dichte, schwer zerstörbare Oxidhaut bildet, die das Blei vor weiterer Korrosion schützt9. Selbst wenn durch eine hohe physische Kraft ein Riss oder eine Kerbe entsteht, bildet sich innerhalb kürzester Zeit an der beanspruchten Stelle eine Schutzhaut, die das offene Metall vor Korrosion schützt.
Trotz dieser bemerkenswerten Eigenschaften brachte die Konstruktion mit Blei auch einige Nachteile mit sich: So besitzt Blei eine extrem hohe Dichte, was den Werkstoff schwer macht. Dies hat zur Folge das viel Aufwand in die Planung der tragenden Unterkonstruktion fließt10.
Außerdem besitzt Blei sowohl eine ausgeprägte Wärmeleitfähigkeit, als auch Wärmeausdehnung11. Diese Faktoren mussten präzise studiert werden, um der Bleibahn den nötigen Platz zu geben, falls sie sich bei direkter Sonnenbestrahlung um mehrere Zentimeter verlängert.
Trotz der bestehenden Nachteile bringt Blei, die positive Eigenschaft der einfachen Verarbeitung mit sich, welche gerade an geometrisch aufwändigen Stellen einen zuverlässigen Schutz vor eindringender Feuchtigkeit bildet.
Besonderes Augenmerk muss auf das Verhalten bei Hitze gelegt werden: Durch die hohen Temperaturen verliert das Blei seine Statik, da Blei schon bei 327,43°C seinen Schmelzpunkt erreicht hat12. Diese physikalische Eigenschaft unterscheidet das Blei als Dachdeckung maßgeblich von beispielsweise gebranntem Steinzeug: der Dachziegel wird so gut wir gar nicht von äußeren Temperatureinflüssen beeinflusst.

 

4. Konstruktion

Trotz der guten Formbarkeit und einfachen Verarbeitung bringt besonders das Gewicht einen erheblichen Konstruktionsaufwand mit sich, da große Dachflächen: (Beispiel: Kölner Dom), mehrere hundert Tonnen wiegen können. Ein weiteres Problem stellen die großen Spannweiten dar, daher ist das Gewicht beispielsweise mit Bogentragwerkskonstruktionen auf die Außenwände abgetragen worden.

Beispielhafte Konstruktion eines Dachstuhls


Bild [1]:  Beispielhafte Konstruktion eines Dachstuhls [+]


Auf die Unterkonstruktion, meist aus Holz, später auch aus Eisen, wird eine Trennlage aufgebracht, auf die danngefalzte Bleibleche genagelt werden13. Wichtig hierbei ist die Überdeckung möglicher Befestigungspunkt, da diese sonst nicht dicht sind. Blei kann mit einfachen Mitteln in die benötigte Form gebracht werden, so werden bei Formarbeiten verschiedene Klopfhölzer, Setzhölzer und Treibhämmer verwendet14. Das sogenannte „Treiben“ beschreibt das Strecken, Ziehen und Schlagen, außerdem ist das Material löt-, schweiß-, falz- und faltbar um es in die gewünschte Geometrie zu bringen15.

 

Osnabrück,
 Dom Sankt Peter,
 Bleidach des NW-Turmes (?)

Bild [2]: Osnabrück, Dom Sankt Peter, Bleidach des NW-Turmes (?)  [+]

 
 

4. Regionale Beispiele

Eines der bekanntesten Bleidächer der weiteren Umgebung ist sicherlich das des Kölner Doms. Für die Erhaltung und Restauration des Daches sind in der Vergangenheit und der Gegenwart erhebliche Summen in die Dachkonstruktion geflossen.
Nach Überlieferungen hatte der erste Kölner Dom bereits in der karolingischen Zeit von 751-911 n.Chr. eine Dachhaut aus Blei. Schuttreste, die um 850 nach einem verheerenden Brand gefunden worden sind, belegen dies16.
Bis zum Jahre 1248 wurde diese Tradition fortgesetzt, wobei sowohl der Dom als auch seine Bedachung mehrmals von Bränden zerstört worden sind17. Das Blei wurde nicht nur zur Dachdeckung eingesetzt, sondern kam in aufwändig vergoldeter und verzierter Form auch als Maßwerkkamm zum Einsatz.
Eine neue Deckung mit Walzeisen stellte sich dieses als nicht haltbar heraus. Die Walzeiseneindeckung musste oft in Stand gesetzt werden, da sich die Platten lösten und herabstürzten.
So entschied man sich 1952 für eine erneute Eindeckung mit Walzblei, in Verbindung mit einer bis heute andauernden Sanierung des gesamten Dachstuhles. Das heute verwendete Blei unterscheidet sich allerdings in seiner chemischen Zusammensetzung deutlich von früheren Blechen, so wird stark antimonhaltiges Blei eingesetzt, da dieses eine höhere Steifigkeit besitzt18.

 

5. Fazit

Durch die lange andauernde Verwendung von Blei als Dachdeckung, sowohl auf nationaler, als auch auf internationaler Ebene, hat das Blei Dauerhaftigkeit bewiesen. Dafür spricht die große Anzahl an Bleidächern, die nach hunderten Jahren, heute noch ihre Funktion erfüllen. Um den Erhalt der Dachdeckung zu sichern, ist das Augenmerk besonders auf die Brandprävention zu richten. Gerade unter denkmalpflegerischem Aspekt ist eine eingehende Beschäftigung mit dem Werkstoff notwendig, da auch in Zukunft eine große Anzahl von Bleidächern zu restaurieren bzw. instandzusetzen ist. Primär ist auf den Erhalt der Struktur zu achten da es sich bei den verwitterten Bleiplatten um Zeitzeugen mit einer über viele Jahre gebildeten Patina handelt.
Besonders Bleidächer, die eine aufwändige Ziselierung bekommen haben, sind auch im Hinblick auf ihren künstlerischen Ausdruck besonders erhaltenswert.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Arntz, Ludwig (1918): Bleideckung und ihr Schmuck mit Beispielen Kölner Arbeit. In: Zeitschrift für christliche Kunst. 31 (1918), Heft 1, S. 1-10. Online im Internet: < http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/zchk1918/0009> [Stand. 29.11.2015]
 

Hofmann, Wilhelm (1941): Reine und angewandte Metallkunde in Einzeldarstellungen, Band 6, Blei und Bleilegierungen. Berlin: Springer


Lubinski, Franz (1995): Schäden an Metallfassaden. Stuttgart: IRB-Verl. (Schadenfreies Bauen, 12).


Schunk, Eberhard (u.a.) (2002): Dach-Atlas: geneigte Dächer, 4. Aufl., neu bearb. Basel: Birkhäuser.


Wolff, Arnold (1996): Dachabdeckung aus Blei, in: Bausubstanz, 1996, Nr.9, S.36-38


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Lubinski (1995) S.134
2 Lubinski (1995) S.148-149
3 Lubinski (1995) S.151
4 Arntz (1918) S.2
5 Arntz (1918) S.6
6 Arntz (1918) S.5
7 Wolff (1996) S.36-38
8 Lubinski (1995) S.187
9 Lubinski (1995) S112
10 Lubinski (1995) S.167
11 Hanemann,Hofmann (1941) S.7
12 Hanemann,Hofmann (1941) S.9
13 Arntz (1918) S.4
14 Lubinski (1995) S.193
15 Lubinski (1995) S.178-179
16 Lubinski (1995) S.212
17 Wolff (1996) S.36-38
18 Wolff (1996) S.36-38

Bild [1]: Vincent Marx, selbst angefertigte Skizze: Dachstuhl
Bild [2]: Osnabrück, Dom St. Peter, Bleidach des NW-Turmes, (Aufnahme um 1920-40?), Microfiche-Scan mi08525g01, Veröffentlicht in: Fotoarchiv Bildindex Marburg, Urheberrecht: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Fotosammlung.


 

Zitiervorschlag:
Marx, Vincent (2015): „Bleidach“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bauteiltypologie, URL:http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bauteiltypologie/bauteile-b/bleidach.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 08. Juni 2018
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