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Holzbauweise: Fachwerk
Fachwerk
Der Fachwerkbau ist eine der prägendsten Konstruktionsformen in der deutschen Architekturlandschaft und ist dabei so vielseitig wie detailreich.1 Diese „Skelettbauweise“2 zeichnet sich durch eine Pfahlkonstruktion mit horizontalen Balken aus und wird durch Fenster, Türen und Füllmaterialien ausgefacht.3 Ihre Geschichte reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück und ist bis heute noch nicht abschließend erforscht. Gemeinhin werden Fachwerke dem Mittelalter vom 13. bis 16. Jahrhundert zugeordnet.4 Diese Zeit gilt auch als Hochphase, jedoch hat diese Bauweise bis heute, in abgewandelter Form, ihre Gültigkeit behalten. Vor allem in Fragen der Ressourcenknappheit und dem hohen Materialaufwand heutiger Bauten ist das Thema Fachwerk aktueller denn je.
Geschichte und Konstruktion
Die Geschichte des Fachwerks beginnt mit den Pfostenbauten, dabei wurde der Pfosten in den Boden eingegraben und war somit fest verankert. Seit wann es diese Form des Fachwerks gibt, lässt sich heute nicht eindeutig nachvollziehen. Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war die vorherrschende Meinung, dass es keine Fachwerkbauten mehr aus der Zeit vor dem 13. Jahrhundert gibt, dies wurde aber durch eine sukzessive Bestandsaufnahme der Städte widerlegt.5 Diese Bauweise hatte jedoch ein grundlegendes Problem, dabei wurden die Holzpfähle durchfeuchtet, solange sie mit dem Boden in direkter Verbindung standen. Das wiederum beeinträchtigte die Stabilität. Um das 13. Jahrhundert herum wurden die Pfosten nicht mehr in den Boden eingespannt, sondern auf eine Erhöhung gestellt.6 Diese war zumeist aus Stein und wird Schwelle genannt. Sie löste das eine Problem, es trat aber ein neues auf: Die Pfähle mussten gegen das Umkippen gesichert werden. Es war also notwendig, ein statisches Dreieck zu konstruieren.7 Dabei stehen sich zwei Holzständer gegenüber und bilden mit einem darüber liegenden Balken ein Gebinde. Dieses gehört dann schon zur Decke des höheren Geschosses.8 Vertikale Hölzer werden Ständer genannt, der Begriff Pfosten wird hingegen für in die Erde eingespannte Hölzer verwendet. Der Rähm (kommt von Rahmen, daher auch der alte Begriff für Stockwerkbau) ist der horizontale Abschluss der Ständer.9 Dadurch entwickelte sich die für uns heute noch so präsente Fassadengestaltung der Fachwerkhäuser. Vorherrschende Holzart war übrigens bis ins 20. Jahrhundert die Eiche.10
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Bauweisen: dem Geschossbau und dem Stockwerkbau. Die Ständerbauweise (Geschossbau) war lange Zeit in Deutschland vorherrschend. Allerdings hat es in dieser Zeit auch neue Entwicklungen gegeben, von weiteren Konstruktionsmöglichkeiten über bestimmte Zierformen bis hin zu regionalem Materialeinsatz. Hierbei laufen die Balken von unten bis oben durch und die dazwischenliegenden Decken werden „eingeschlossen“ von den Pfosten in der Wand.11
Eine der Weiterentwicklungen war die Stockwerkbauweise, veraltetet auch „Rähmbauweise“ genannt,12 diese hat die Besonderheit der auskragenden Balken, die darunter von „Knaggen“13 gestützt werden, dadurch entsteht wieder ein statisches Dreieck und die Geschosse sind voneinander statisch getrennt.14 Die Knaggen waren zuerst ohne Ornament versehen. Dies änderte sich aber im Laufe der Zeit und sie wurden ein sehr beliebtes Objekt der Verzierung.15
Abb. 1: Unterschied zwischen Geschossbau und Stockwerkbau, Darstellung in einem schematischen Schnitt [+]
Zumeist wurde der Fachwerkbau als universelle Architekturform verstanden, sodass die Grundrisse sowohl für reinen Wohnungsbau als auch eine gemischte Nutzung von Gewerbe und Wohnen genutzt werden konnten. Daher gibt es unterschiedliche Meinungen über die Auskragungen, die so typisch sind für den Stockwerkbau.
Karl Klöckner und Ingrid Krupp gehen in ihrem Buch „Alte Fachwerkbauten“ davon aus, dass die Auskragungen dem Platzgewinn dienten.16 Dem widerspricht Ulrich G. Großmann in seinem 2006 erschienenen Buch „Fachwerk in Deutschland. Zierformen seit dem Mittelalter“. Hier verwirft er zuerst die Theorie von Platzgewinn in den oberen Geschossen, da im Mittelalter das Erdgeschoss für Gewerbe genutzt wurde, das 1. Obergeschoss zum Wohnen der Hauseigentümer und das oberste Geschoss für das Gesinde war. Die baukonstruktiven Gründe oder die Argumentation für den Regenschutz verwirft er ebenfalls, da es Überhänge von bis zu 2,70 m gab und die Straßen eher schmal und Regenwasserprobleme an der Fassade nicht so oft vorkamen. Daher vermutet er einen rein repräsentativen Zweck als Grund für die Auskragungen.17 Diese Aussage unterstützt Elmar Altwasser in dem Buch von 1997 „Die Limburger Fachwerkbauten des 13. Jahrhunderts“, in dem von dem „Vorkragungsluxus“18 gesprochen wird. Es habe schon 1264 eine Vereinbarung der Bürger gegeben, die Vorkragungen zu reduzieren, damit die Stadt nicht so zugebaut würde.19
Bei einer Führung im Jahr 2018 mit dem Namen „Das Dom-Römer-Projekt - Eine Führung durch die neue Frankfurter Altstadt“ durch den Historiker und Architekten Björn Wissenbach, äußerte dieser jedoch die schon vorausgegangene Vermutung, dass die Vorkragungen nur aus baukonstruktiven und baustatischen Gründen heraus entstanden seien. Ein Nebeneffekt wäre dabei der Schutz vor Schlagregen für die unteren Geschosse.20 Dieser Meinung schließe ich mich an, durch die
Stockwerkbauweise konnten die Biegemomente der Decken verringert und wie schon vorher beschrieben, die Geschosse statisch getrennt werden. Ebenso widerspricht die Vereinbarung der Bürger von 1264 nicht, die Argumentation der baukonstruktiven Gründe, da diese ja nur verringert werden und nicht gänzlich abgeschafft werden sollten. Durch die Häufigkeit der heute noch vorhandenen Stockwerkbauten lässt ebenfalls auf baukonstruktive Vorteile schließen.
Ein Regionalbeispiel. Das Haus am Fischmarkt 15, Limburg
Abb. 2: Westfassade von Westen im Jahr 2000 [+] |
Das Haus am Fischmarkt 15 liegt im Zentrum der Stadt Limburg an einem Platz an der Ostseite des Fischmarktes. Dieser wird durch eine dreiseitige Bebauung gebildet. Maßgeblich wird er geprägt durch das Zurückspringen des Hauses Nr. 15, das sich mit seiner Rückwand an den Felsen lehnt. Das Gebäude ist ein mittelalterlicher Stockwerkbau aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Man kann das genaue Jahr nicht festlegen, da es keine Aufzeichnungen über die Bauherren gibt, anscheinend waren sie so vermögend, dass sie den Bau direkt bezahlen konnten und dadurch keine Kredite in den Unterlagen vermerkt wurden.21 Im Jahr 2000 wurde eine umfassende Bestandsaufnahme in der Limburger Altstadt vorgenommen. In diesem Zusammenhang wurde auch dieses Gebäude aufgemessen, allerdings nicht geöffnet für weitere Untersuchungen, da in dem Gebäude während der Maßnahmen noch Personen gewohnt haben.22 Der Aufbau des Gebäudes gliedert sich in einen Kellergeschoss mit einer Höhe von 4,80 m, der vermutlich als Lager gedient hat,23 sowie Erdgeschoss als Ladenzone bis zum 3. Obergeschoss und das Dachgeschoss die bis heute zum Wohnen genutzt werden. |
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Abb. 3: Schnitt Nordfassade von Süden, Bestandsaufnahme 2000 [+] |
Das Fachwerkhaus ist ein typischer Stockwerkbau. Man erkennt im Schnitt die Vorkragungen und die aussteifenden Knaggen an den Außenkanten (Stand 2000). Diese sind nicht mehr verziert, da das Fachwerk durch die Jahrhunderte immer wieder verändert wurde. Jedoch erkennt man alle Besonderheiten eines Fachwerks: die in die Ausfachung eingebauten Fenster und Türen, den Steinsockel sowie den auskragenden Balken. |
Literatur- und Quellenverzeichnis
Altwasser, Elmar (1997): Die Limburger Fachwerkbauten des 13. Jahrhunderts. Limburg/Lahn: Magistrat der Stadt Limburg an der Lahn Sanierungsleitstelle (Limburg a.d. Lahn - Forschungen zur Altstadt, 2).
Binding, Günther (1990): Fachterminologie für den historischen Holzbau - Fachwerk - Dachwerk / hrsg. von Günther Binding. Unter Mitarbeit von Annette Roggatz. 2. Aufl. Köln: Abt. Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Inst. der Univ. (… Veröffentlichung der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln ; 38).
Ebel, Jürgen; Bomert, Jürgen (Hg.) (2002): Limburger Fachwerkbauten des 14. und 15. Jahrhunderts. Limburg/Lahn: Selbstverl. des Magistrats der Stadt Limburg an der Lahn Sanierungsleitstelle (Limburg a. d. Lahn - Forschungen zur Altstadt, 3).
Grossmann, G. Ulrich (1986): Der Fachwerkbau. Das historische Fachwerkhaus, seine Entstehung, Farbgebung, Nutzung und Restaurierung. Köln: DuMont.
Großmann, G. Ulrich (2006): Fachwerk in Deutschland. Zierformen seit dem Mittelalter. Petersberg:Imhof (Imhof Kulturgeschichte). Klöckner, Karl; Krupp, Ingrid (1991): Alte Fachwerkbauten. 3., aktualisierte und erw. Aufl. München: Callwey. Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hg.) (2007): Stadt Limburg. Stuttgart: Theiss (Kulturdenkmäler in Hessen, Landesamt für Denkmalpflege ; Stadt Limburg).
Stiewe, Heinrich (2007): Fachwerkhäuser in Deutschland. Konstruktion,Gestalt und Nutzung vom Mittelalter bis heute. Darmstadt: WBG Wiss. Buchges.
Wissenbach, Björn (2018): Das Dom-Römer-‐Projekt - eine Führung durch die neue Frankfurter Altstadt. Führung. Frankfurter Stadtevents. Frankfurt, 25.05.2018. Online verfügbar unter https://www.frankfurter-stadtevents.de/Themen/Kultur-Stadtgeschichte/Das-Dom-Rmer-Projekt_20010171/https://www.frankfurter-stadtevents.de/Themen/Kultur-Stadtgeschichte/Das-Dom-Rmer-Projekt_20010171/.
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
1 Stiewe 2007, S. 10–11.
2 Stiewe 2007, S. 15.
3 Klöckner und Krupp 1991, S. 7.
4 Großmann 2006, S. 16.
5 Altwasser 1997, S. 171.
6 Großmann 1998, S. 99.
7 Klöckner und Krupp 1991, S. 15–17.
8 Großmann 2006, S. 16.
9 Stiewe 2007, S. 18.
10 Klöckner und Krupp 1991, S. 9
11 Stiewe 2007, S. 22–24.
12 Binding 1990, S. 35.
13 Binding 1990, S. 25.
14 Binding 1990, S. 27.
15 Klöckner und Krupp 1991, S. 21.
16 Klöckner und Krupp 1991, S. 20.
17 Großmann 2006, S. 17–18.
18 Altwasser 1997, S. 186.
19 Altwasser 1997, S. 186.
20 Wissenbach 2018.
21 Ebel und Bomert 2002, S. 97–98.
22 Ebel und Bomert 2002, S. 101.
23 Landesamt für Denkmalpflege Hessen 2007, S. 269.
Abb.1: Zeichnung und Beschriftung in Anlehnung an: Binding, Günther (1990): Fachterminologie für den historischen Holzbau - Fachwerk - Dachwerk / hrsg. von Günther Binding. Unter Mitarbeit von Annette Roggatz. 2. Aufl. Köln: Abt. Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Inst. der Univ. (…Veröffentlichung der Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln ; 38). S. 20 und 39
Abb.2: Freies Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. (IBD), 2002, aus: Ebel, Jürgen; Bomert, Jürgen (Hg.) (2002): Limburger Fachwerkbauten des 14. und 15. Jahrhunderts. Limburg/Lahn: Selbstverl. des Magistrats der Stadt Limburg an der Lahn Sanierungsleitstelle (Limburg a. d. Lahn -‐ Forschungen zur Altstadt, 3); S. 100; veröffentlicht mit Genehmigung von Ulrich Klein (IBD).
Abb.3: Freies Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V. (IBD), 2002, aus: Ebel, Jürgen; Bomert, Jürgen (Hg.) (2002): Limburger Fachwerkbauten des 14. und 15. Jahrhunderts. Limburg/Lahn: Selbstverl. des Magistrats der Stadt Limburg an der Lahn Sanierungsleitstelle (Limburg a. d. Lahn -‐ Forschungen zur Altstadt, 3); S. 111; veröffentlicht mit Genehmigung von Ulrich Klein (IBD).
Zitiervorschlag:
Kaletha, Marie (2018): „Fachwerk“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bautechnik, URL:<http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bautechnik/holzbauweise/fachwerk.php>
letzte Aktualisierung dieser Seite: 31. Juli 2018 Autorin(nen) oder Autor(en): Marie Kaletha: PDF |