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Holzbautechnik: Abbundmarken

Abbundmarken

Markierungen der Zimmerleute, um die Zusammensetzung eines Fachwerkverbandes zu definieren.
 

Bild [1]: Abbundmarken mit Beizeichen   Als Abbundmarken (auch Bundzeichen) werden Markierungen in Form von grafischen Zeichen oder römischen Ziffern auf Holzbalken bezeichnet, die der Verortung des Holzes im Fachwerkgefüge dienen. Die Notwendigkeit einer Vorfertigung im Fachwerkbau und somit auch des Gebrauchs von Abbundmarken resultiert aus den städtebaulichen Gegebenheiten des Mittelalters:
 
Bild [1]: Abbundmarken mit Beizeichen. Wohnhaus, Karl-Lang Straße 2 in Bad Schwalbach. [+]  

Die Grundstücke wurden oft bis an die Grenze bebaut und die Verkehrswege waren schmal. Somit war nicht ausreichend Platz für die Zimmerleute und deren Material vorhanden1. Eine Fertigung in mehreren Bauabschnitten war, im Besonderen bei mittelalterlichen Ständerbauten, konstruktiv nicht möglich2. Ferner war die Anzahl der Holzteile zumeist unüberschaubar groß. Sie variierte je nach Baujahr und Funktion zwischen 200 bis 1000 Einzelteilen3.

Bild [2]: Arbeiten auf dem Abbundplatz. Hieronymus Rodler,
 1535

Bild [2]: Arbeiten auf dem Abbundplatz. Hieronymus Rodler, 1535.

Neue Gebäude wurden deshalb auf der sogenannten Zulage (auch Reißboden, ein 25-50 cm hohes Podest aus Kanthölzern) vor den Toren der Stadt teilweise oder auch vollständig errichtet und Abbundmarken auf den Bundseiten angebracht4. Eine Bundseite ist die geebnete Schauseite eines Balkens. Ein Zwischenschritt bei dieser Kennzeichnung waren Markierungen mit Rötelfarbe5.

Der Balken erhält zumeist neben seiner fortlaufenden Nummerierung in römischen Ziffern, je nach Lage der Wand, zusätzlich ein Beizeichen.

 

Bild [3]: Beispiele: Ohne Beizeichen,
 Stich,
 Zweistich,
 Rute
Bild [3]: Beispiele: Ohne Beizeichen, Stich, Zweistich, Rute


Bei der Gradwand, die meist an der Straßenseite liegt, wird auf ein Beizeichen verzichtet. Die linke Wand erhält das Beizeichen „Stich“ und die rechte Wand das Beizeichen „Zweistich“. Die Balken der Rückwand erhalten das Beizeichen „Rute“. Innenwände werden den jeweiligen Außenwänden zugeordnet6. Bei mehrgeschossigen Bauten kommt noch ein Zeichen für das Geschoss hinzu7.

Die Art der Nummerierung weist eine Besonderheit auf, die aus der Arbeitsweise der Zimmerleute am liegenden Balken resultiert. Um Verwechselungen der römischen Ziffern vorzubeugen, wird die 4 als IIII, die 9 als VIIII, die 15 als VVV und die 20 als XX geschrieben.8   Bild [4]: Zweiter Balken einer rechten Wand: Hofreite,
 Klosterstraße 36 in Heidenrod
  Bild [4]: Zweiter Balken einer rechten Wand: Hofreite, Klosterstraße 36 in Heidenrod [+]


Besonders bei aufwendigen Holzverbindungen musste der gleiche Balken auf der Baustelle wieder mit demselben Gegenstück verbunden werden für den er ursprünglich hergestellt wurde. Die handwerklich hergestellten Verbindungen variierten ein wenig und somit hätten andere Balken der gleichen Ausführung nicht gepasst.

Abbundmarken haben eine große Bedeutung für die Bauforschung. Sie lassen erkennen, wo Veränderungen in einem Fachwerkhaus stattgefunden haben, in welcher Reihenfolge es erstellt worden ist, wie viele Bauphasen es gab, von wie vielen verschiedenen Zimmerleuten es gebaut worden ist, aus welcher Region diese stammten und welche Werkzeuge sie gebraucht haben9.
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Cramer, Johannes (1986): Bundzeichen. In: Bauen mit Holz, 88. 1986 (3), S. 136–140.

Gerner, Manfred (1997): Fachwerklexikon. Handbuch für Fachwerk und Holzkonstruktionen. Stuttgart: Dt. Verl.-Anstalt.

Grossmann, G. Ulrich (1986): Der Fachwerkbau. Das historische Fachwerkhaus, seine Entstehung, Farbgebung, Nutzung und Restaurierung. Köln: DuMont.

Nimmerich, Heinrich (1978): Die Kennzeichnung der Hölzer beim Abbund von Fachwerkhäusern. In: Hessische Heimat, 28. 1978 (1), S. 23–25.

Rodler, Hieronymus (1546): Perspectiua, Eyn schön nützlich büchlin vnd vnderweisung der kunst des Messens, mit dem Zirckel, Richtscheidt oder Linial ; Zu nutz allen kunstliebhabern, ... auch allen andern, so sich der kunst des Messens (Perspectiua zu latein genant) zu gebrauchen lust haben. Frankfurt: Jacob


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Cramer (1986) S. 136
2 Cramer (1986) S. 136
3 Cramer (1986) S. 136
4 Gerner (1997) S. 9
5 Cramer (1986) S. 136
6 Nimmerich (1978) S. 24
7 Nimmerich (1978) S. 24
8 Grossmann (1986) S. 25
9 Grossmann (1986) S. 26

Bild [1]: Foto Jasmin Diefenbach
Bild [2]: Rodler (1546),
URL:  http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00085177/image_69
(Stand: 24.05.2014)
Bild [3]: Zeichnung Jasmin Diefenbach
Bild [4]: Foto Jasmin Diefenbach

 

Zitiervorschlag:
Diefenbach, Jasmin (2014): „Abbundmarken“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bautechnik, URL:<http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bautechnik/holzbauweise/abbundmarken.php>

Autorengruppe: Studentinletzte Aktualisierung dieser Seite: 7. Juli 2014
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Jasmin Diefenbach JD01-001 : PDF

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