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Bautechnik: Baumeister

Baumeister

 

Der Beruf des Baumeisters war in der Gesellschaft des Mittelalters sehr angesehen, da er viel Wissen und Fertigkeiten verlangte. Der Baumeister des Mittelalters war „Architekt, Bauleiter, Statiker und Bildhauer in einem“.1

Es gilt aber grundlegend zwischen dem administrativen und dem technischen Baumeister zu unterscheiden.

Ersterer war meist ein Mönch, der das gewählte Amt eines Bauverwalters innehatte. Er überwachte das Baugeschehen und war für die Auszahlung der Löhne zuständig.2

Der technische Bauleiter war ein Handwerkermeister, meist ein Steinmetz oder Maurer. Dieser wurde oft von weit her angeworben. Ihm unterstanden die Handwerker, die er anwarb, und die die Anweisungen befolgten, die er vorgab.3 Der Meister steckte den Grundriss ab und nahm Aufmaß. Außerdem war er für die Beschaffung von Materialien zuständig und überwachte die Holzfäll- und Steinbrucharbeiten.4

Baubetrieb im Mittelalter


Bild [1]: Baubetrieb im Mittelalter [+]

 

Über die Ausbildung zum Baumeister im frühen Mittelalter findet man in der Literatur kaum Nachweise. Da zu dieser Zeit die Klöster die Heimat des Wissens waren ist anzunehmen, dass die Ausbildung dort erfolgte.

Die Ausbildung im späten Mittelalter ist genauer überliefert5: Mit 14 Jahren trat der Lehrling seine Ausbildung an, diese dauerte in der Regel fünf Jahre. In den ersten Jahren befasste er sich eingehend mit Werkzeug und Material. Erst in den späteren Lehrjahren gegen Ende der Ausbildung übte er sich an plastischen Arbeiten, formte Steine und schlug Profile. Nach diesen fünf Jahren begab sich der Geselle auf Wanderschaft. Das trug zu einem hohen Austausch von Wissen und dessen schneller Verbreitung bei. Um Meister zu werden musste der Geselle weitere zwei Jahre in die Lehre gehen. Erst dort lernte er Skulpturen zu fertigen und Risse zu erstellen. Nach Beendigung dieser Ausbildung durfte er sich Meister nennen und war von nun an in der Lage eigenständig ein Haus zu errichten. Sowohl im frühen als auch im späten Mittelalter erfolgte die Weitergabe von Wissen mündlich.6

Bevor man es verstand, maßstäbliche Pläne und Risse anzufertigen war die Anwesenheit des technischen Baumeisters auf einer Baustelle unabkömmlich. Grobe Skizzen gaben zwar den Bauherren einen Einblick in das Bauvorhaben, aber nur der Baumeister hatte eine Vorstellung, wie das fertiggestellte Gebäude aussehen würde. Dadurch war räumliches Vorstellungsvermögen noch wichtiger als im heutigen Beruf des Architekten.7 Da es noch keine Baupläne gab, bearbeite man die Steine nach Schablonen aus Holz im Maßstab 1:1. Außerdem gab es Modelle aus Wachs, allerdings nicht maßstabsgetreu.8 Ab Mitte des 13. Jahrhunderts gab es erste Baupläne. Von da an arbeiteten die großen Baumeister des Geldes wegen auf mehreren Baustellen gleichzeitig.9 Nur die Baumeister wussten zu dieser Zeit solche Pläne anzufertigen. Als ihr Stellvertreter, genannt Parlier, trat meist einer ihrer Lehrlinge ein.

Diese Pläne entsprechen keinem „Werkplan im modernen Sinne“.10 Sie stützen sich auf Musterbücher, in denen größtenteils mit Proportionen und bestimmten Quadraturen gearbeitet wurde. Mit Hilfe von Bildnissen oder Zeichen von Baumeistern an ihren Werken kann man sie ihren Arbeiten zuordnen.

Selbstbildnis Madern Gertheners 

Bild [2]: Selbstbildnis Madern Gertheners [+]

 

Die Abbildung Nummer 2 zeigt das vermutete Selbstbildnis11 eines Meisters, dessen Porträts und Zeichen in Hessen an Bauwerken aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts häufiger vorzufinden sind: Madern Gerthener.

Er lebte von 1360 bis 1430. Wie bereits sein Vater wurde er Steinmetz. Er absolvierte seine Lehre und ging ab 1387 auf Wanderschaft, die ihn unter anderem nach Wien führte.12

Madern Gerthener war ein wahrer Meister seines Berufes. Er verstand es komplexe Baupläne anzufertigen und besaß große gestalterische Fähigkeiten. Er hatte außerdem eine eigene Werkstatt und viele ihm unterstellte Handwerker. So konnte er auch große Bauvorhaben übernehmen, da er die dazu benötigten Mittel besaß.13

Ab 1392 ist er in den Steuerbüchern der Stadt Frankfurt aufgeführt, zu deren Stadtbaumeister er aufstieg. Unter Madern Gerthener wurde Frankfurt zur Architekturstadt. Er war unter anderem mit dem Ausbau der Stadtbefestigung betraut.14 Im Jahre 1415 beauftragte man den Stadtbaumeister mit Frankfurts noch heute wohl bekanntestem Bauwerk: Dem Frankfurter Dom.15

Die Stadt Frankfurt hatte bereits seit Anfang des 11. Jahrhunderts eine Stiftskirche, die im Laufe der Zeit immer wieder erweitert wurde. Unter Madern Gerthener war diese bereits ab dem Jahre 1404 um einen Westturm erweitert worden. Weitere Baumaßnahmen zwischen 1408 und 1413 folgten. im Juni 1415 legte man den Grundstein zum Turm St. Bartholomäus.16 An dieses Bauvorhaben stellte die Stadt Frankfurt, darunter vor allem das Patriziat, hohe Ansprüche, da dieser Dom das Stadtbild aufwerten und ihren Reichtum und Einfluss nach außen hin repräsentieren sollte.17

Der Plan Madern Gertheners sah folgende drei Abschnitte vor: Der quadratische Turmschaft in dem sich die Turmhalle befindet, der achteckige mittlere Abschnitt und die Turmspitze.18

 

     
 Bild [3]: Risszeichnungen Madern Gertheners [+]
   


In den ersten Jahren nach Baubeginn schritten die Arbeiten schnell voran. Bis 1422 waren die Arbeiten an der Turmhalle abgeschlossen. Danach trat Gerthener in den Ruhestand und verstarb schließlich um 1430.19

In den folgenden Jahren wurden die Arbeiten unter verschiedenen Baumeistern immer wieder aufgenommen bis sie im Jahre 1514 schließlich eingestellt wurden. Auch nach dem Dombrand im Jahre 1867 geschah der Wiederaufbau mit den Plänen Madern Gertheners.20

Der Frankfurter Dom war im hessischen Raum eines der ersten Bauwerke, bei dem maßstäbliche Risszeichnungen genutzt wurden. Außerdem zeichnet sich Madern Gertheners Bauweise am Frankfurter Dom besonders durch innovative Gewölbeformen aus. Sie ermöglichten den Wechsel verschiedener Grundrissformen der einzelnen Abschnitte des Turmes. Der Frankfurter Turm hebt sich außerdem in seiner Leichtigkeit deutlich von anderen Gebäuden dieser Zeit ab.21 Der große Baumeister Hessens verdankt es vor allem seiner Arbeit am Frankfurter Dom, dass sein Name bis heute in Erinnerung blieb.

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Bartezko, Dieter; Dettmar, Uwe (2009): Der Frankfurter Domturm. Stadtbild, Geschichte, Restaurierung. Bonn: Monumente Publ., Dt. Stiftung Denkmalschutz (Monumente-Publikationen).

Bauer, Sophie (1988): Bildnisse des Frankfurter Werkmeisters Madern Gerthener. In: Städel Jahrbuch (1988). S. 69 – 74

Binding, Günther; Annas, Gabriele (1993): Baubetrieb im Mittelalter. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Binding, Günther; Linscheid-Burdich, Susanne; Wippermann, Julia (2002): Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter nach den Schriftquellen bis 1250. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.

Binding, Günther (2005): Wanderung von Werkmeistern und Handwerkern im frühen und hohen Mittelalter. Unter besonderer Berücksichtigung des Rhein-Main-Gebietes. Stuttgart: Steiner (Sitzungsberichte der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 43, Nr. 1).

Binding, Günther (2006): Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen. Bauen im Mittelalter. Darmstadt: Primus.

Freigang, Christian (Hg.). Das "neue" Frankfurt. Innovationen in der Frankfurter Kunst vom Mittelalter bis heute : Vorträge der 1. Frankfurter Bürger-Universität (2010). Frankfurt am Main: Kramer (Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Bd. 72).

Freigang, Christian (2010): Madern Gerthener in der Stadt Frankfurt am Main – Vom Aufstieg einer Reichsstadt zum Architekturzentrum um 1400. In: Werkmeister der Spätgotik. Personen, Amt und Image. Darmstadt: WBG. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. 85 – 105.

Johannes, Ralph (2009): Entwerfen. Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts : Geschichte, Theorie, Praxis. Hamburg: Junius.

Ringshausen, Gerhard (2015): Madern Gerthener. Frankfurts großer Architekt und Bildhauer der Spätgotik. Frankfurt am Main: Henrich Editionen (Studien zur Frankfurter Geschichte, Bd. 62). 


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

1 Johannes 2009, S. 186, Z. 34 f.
2 Binding 2005, S. 5 ff.
3 Binding 2005, S. 5
4 Binding; Annas 1993, S. 86 ff.
5 Johannes 2009, S.186 ff.
6 Johannes 2009, S.186 ff.
7 Binding; Annas 1993, S. 86 ff.
8 Binding 2006, S. 45
9 Binding 2006, S.38
10 Binding/Linscheid-Burdich/Wippermann 2002, S.
11 Bauer (1988), S. 69
12 Freigang (2010), Madern Gerthener in der Stadt Frankfurt am Main, S. 89
13 Freigang 2010, Das "neue" Frankfurt, S. 15
14 Ringshausen (2015), S. 32 f.
15 Ringshausen 2015, S. 42 ff.
16 Ringshausen 2015, S. 141 ff.
17 Freigang 2010 Das "neue" Frankfurt, S.19
18 Bartezko/Dettmar 2009, S. 14
19 Bartezko/Dettmar 2009, S. 29f.
20 Bartezko/Dettmar 2009, S. 13
21 Bartezko/Dettmar2009, S. 35f.

Bild [1]: Foto Marburg, Aufnahme-Nr. Z 24.035; Bilddatei frmz24035 Microfiche-Scan fr00170g (10.12.2015 22:00 Uhr)

Bild [2]: Selbstportrait des Architekten und Bildhauers Madern Gerthener am Torbogen des Eschenheimer Turms in Frankfurt am Main, von Michael König, 2004, GNU-FDL / CC-by-SA, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/26/Mk_Frankfurt_Gerthener.jpg (10.12.2015 22:03 Uhr)

Bild [3]: aus: Carl Wolff: Der Kaiserdom in Frankfurt am Main. Eine baugeschichtliche Darstellung. Carl Jügel's Verlag (M. Abendroth), Frankfurt am Main 1892, Fig. 43. Online im Internet unter: Link https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fc/Frankfurt_Am_Main-St_Bartholomaeus-Der_Pfarrthurm-Entwurf_des_Meisters_Madern_Gertener-um_1415.jpg (10.12.2015 22:06 Uhr)

 

Zitiervorschlag:
Weidner, Katrin
(2015): „Baumeister“, in: urbs-mediaevalis.de/Studienportal/Bautechnik, URL:http://www.urbs-mediaevalis.de/pages/studienportal/bautechnik/bauablauf/baumeister.php

Autorengruppe: Studentinnen und Studentenletzte Aktualisierung dieser Seite: 23. November 2017
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