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8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung

8.3 Bauanalyse des nördlichen Seitenschiffes

 
Wie in Kapitel 5.3 geschildert, ist in der Forschung umstritten, ob der Umbau des nördlichen Seitenschiffes vor, während oder nach dem Chorneubau 1393 in Angriff genommen wurde.

Als gesichert gilt dagegen, dass Nordseitenschiff und Sakristei gleichzeitig umgebaut wurden. In den schmalen Sakristeifenstern mit ihrem Trichtergewände (Abb. 48 und 49) sieht Dehio die wiederverwendeten Fenster des kurz zuvor abgebrochenen frühgotischen nördlichen Seitenschiffes.257
 
 
Abb. 48: Walpurgiskirche, Sakristei, Fenster der Ostwand [+]   Abb. 49: Walpurgiskirche, Sakristei, Nordansicht [+]

 

Wahrscheinlich wurde zunächst das nördliche Seitenschiff verbreitert und dann das schmalere alte Seitenschiff abgebrochen, anschließend die Sakristei unter Verwendung des alten Baumaterials gebaut. Diese Vorgehensweise würde auch die deutliche Baunaht erklären, die sich an der Nordwand der Sakristei östlich des Strebepfeilers abzeichnet und die der Forschung bisher entgangen ist (Abb. 206).
 
Abb. 206: Walpurgiskirche, fugengerechtes Aufmaß des nördlichen Seitenschiffes und der Sakristei, Zeichnung von Schaper [+]

 

Der etwa 0,40 m breite Streifen Bruchsteinmauerwerk (Abb. 50) im Winkel zwischen dem östlich an die Sakristei anschließenden Treppenturm und der Nordwand des Chores verrät, dass die äußere Ummantelung des Turmes an dieser Stelle auf die Mauer des alten Chores traf, die um eben dieses Maß breiter war als die Wand des spätgotischen Chores (Abb. 3). Durchgehendes Quadermauerwerk und Kaffgesims weisen die Ummantelung des Turmes der gleichen Bauperiode zu wie den Neubau der Sakristei. Auch die Dachtraufe des alten Chores im Obergeschoss der Sakristei konnte sich nur erhalten, weil die Sakristei an den alten Chor angebaut wurde. Der Beginn des Chorneubaus 1393 gibt damit den terminus ante quem für die Umbaumaßnahmen an Sakristei und nördlichem Seitenschiff.
 
 
Abb. 50: Walpurgiskirche, Baunaht zwischen Treppenturm und Chor [+]   Abb. 3: Walpurgiskirche, Grundriss mit den Ergebnissen der Grabung 1971/72 von
Michler [+]

 

Die Erweiterung des nördlichen Seitenschiffes dürfte erst nach dem Abschluss der Umbauarbeiten am südlichen Seitenschiff begonnen worden sein, so dass als zeitlicher Rahmen die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts feststeht. Diesen Zeitraum gilt es nun mittels stilgeschichtlicher Vergleiche weiter einzugrenzen.
 
 

Literatur- und Quellenverzeichnis

Schaper 2001. Schaper, Eckehardt: Bericht zu den Voruntersuchungen im Äußeren der Walpurgiskirche in Alsfeld, durchgeführt 2001 (unveröffentlicht, im Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, Archiv der Abteilung Baudenkmalpflege)

Dehio-Backes 1966. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen, bearb. von Magnus Backes, München [u.a.] 1966

Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99


Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis

257 Dehio-Backes 1966, S. 6. Allerdings sind die vier Fenster unterschiedlich groß, so dass sich die Frage stellt, ob nicht nur die zwei breiteren und höheren Fenster dem Seitenschiff, die kleineren Fenster aber dem Vorgängerbau der Sakristei entstammen.
 
Abb. 3: Michler 1972
Abb. 48-50: Schmelz, Annette 2008
Abb. 206: Schaper, Eckehardt (Alsfeld)

 

Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:  www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php

 

Autorengruppe: Studentin / Studentletzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
Autorin(nen) oder Autor(en)
: Schmelz, Annette PDF

 

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