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8 Bauanalyse, stilistische Einordnung und Datierung
8.1.2.2.4 Minoritenkirche in Köln
Der Baubeginn der Kölner Minoritenkirche liegt in der Zeit um 1248,181 fällt also in die Zeit des „Baubooms“ der Bettelorden in Deutschland in den 40er und 50er Jahren des 13. Jahrhunderts.182 Der Chor wurde um 1260 geweiht, das Langhaus im Anschluss daran begonnen.183 Etwa in der Mitte des Langhauses zeigt eine Baufuge den Beginn eines neuen Bauabschnitts an.184
Die dreischiffige Basilika zeigt ein für Bettelordenskirchen typisches langgestrecktes Langhaus zu acht Jochen (Abb. 147). Die Mittelschiffsjoche sind stark querrechteckig, die Seitenschiffsjoche fast quadratisch. Der einschiffige Hochchor besteht aus einem ganzen und einem verkürzten Joch mit polygonalem 5/10-Schluss.185
Abb. 147: Köln, Minoritenkirche, Grundriss, Zeichnung von Rathgens [+] |
Abb. 148: Köln, Minoritenkirche, Längsschnitt, Zeichnung von Rathgens [+] |
Abb. 149: Köln, Minoritenkirche, Langhaus nach Südwesten [+] |
Die Schiffe werden von kantonierten Pfeilern getrennt (Abb. 148 und 149). Die beiden östlichen Arkadenbögen haben ein reiches, mit Birnstäben und Kehlen geschmücktes Profil, im dritten Joch von Osten vollzieht sich ein Wechsel. Deutlich ist zu erkennen, wie am Bogenanfang das aufwändige Profil noch herausgearbeitet wurde, während der übrige Bogen sozusagen in der Bossenform stehenblieb und so der für Alsfeld und die Mainzer Christophskirche charakteristische doppelt gestufte, beidseitig abgefaste Arkadenbogen in Erscheinung tritt (Abb. 150 und 151). Krautheimer formuliert leicht überspitzt: „Der Einfluss der Bettelordensarchitektur setzt also hier mit dem dritten Joch ein.“186 In der nördlichen Pfeilerreihe erkennt man in eben diesem dritten Joch auf dem Kapitell des kantonierten Pfeilers einen umlaufenden bandartigen Knospenträger, der für einen Teil der Alsfelder Dienstkapitelle vorbildhaft gewesen sein könnte.187 | |
Abb. 150: Köln, Minoritenkirche, Profilwechsel der Arkade im 3. Joch von Osten [+] | Abb. 151: Köln, Minoritenkirche, Arkadenprofile, Zeichnung von Rathgens [+] |
Im Gegensatz zu Alsfeld wird auch der mittelschiffsseitige Dienst vom Kämpfer des Rundpfeilers unterbrochen. Die relativ kleinen Dienstkapitelle sind als schmale Kelche ausgebildet. Die leere Fläche der Sargwand wird nur von den zierlichen Diensten unterbrochen. Profilierte, polygonale Kämpfer, auf denen die schmalen Rippen, Gurte und Schildbögen gerade Platz finden, liegen auf gleicher Höhe mit den Fenstersohlbänken. Die verhältnismäßig großen Fenster sind weit nach oben gerückt. Deutlicher kann man kaum vor Augen führen, wie die Bettelorden gotische Baukunst auffassten. Die leere Wand wird zur Folie für die fein gezeichneten Glieder der gotischen Skelettbauweise. Die dünnen Dienste scheinen vor der Mauer zu stehen und alleine das Gewölbe zu tragen.
Natürlich zeigt das gut 10 m hohe Langhaus der Alsfelder Basilika gestauchte Proportionen im Vergleich zu der etwa doppelt so hohen Minoritenkirche, doch ist das Vorbild der Bettelordensarchitektur augenfällig. Die leere Fläche der Sargwand wird nur von den schlanken Diensten unterbrochen. Zwar setzen die Gewölbekämpfer in Alsfeld nicht erst auf Höhe der Fenstersohlbänke an, doch wäre das bei den nicht sehr hohen Alsfelder Obergadenfenstern auch schlecht vorstellbar.
In einem wichtigen Detail jedoch unterscheidet sich die Walpurgiskirche von der Kölner Minoritenkirche. Die Alsfelder Mittelschiffsdienste steigen vom Fußboden an ohne Unterbrechung bis zur Gewölbezone hoch, der Dienst scheint nicht mit dem kantonierten Pfeiler verklammert zu sein. Eine ähnliche Lösung findet sich im Umkreis der Walpurgiskirche in Geißnidda.188 In der Mainzer Christophskirche ist sie nicht auszuschließen, aber auch nicht zu beweisen.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Krautheimer 2000. Krautheimer, Richard: Die Kirchen der Bettelorden in Deutschland, Reprint d. Ausg. 1925, Berlin 2000
Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99
Nußbaum 1985. Nußbaum, Norbert: Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik. Entwicklung und Bauformen, Köln 1985
Rathgens 1929. Rathgens, Hugo: Minoritenkirche, in: Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Köln. Minoritenkirche, S. Pantaleon, S. Peter, S. Severin, Düsseldorf 1929 (Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, Bd. 2,2), S. 1-41
Schenkluhn 2000. Schenkluhn, Wolfgang: Architektur der Bettelorden. Die Baukunst der Dominikaner und Franziskaner in Europa, Darmstadt 2000
Verbeek 1950. Verbeek, Albert: Zur Baugeschichte der Kölner Minoritenkirche, in: Untersuchungen zur frühen Kölner Stadt-, Kunst und Kirchengeschichte, hrsg. von Walter Zimmermann, Essen 1950, S. 141-163
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
181 Rathgens 1929, S. 9
182 Schenkluhn 2000, S. 110
183 Rathgens 1929, S. 10, Verbeek 1950, S. 142
184 Verbeek 1950, S. 156
185 nicht aus einem 7/10-Schluss (Nußbaum 1985, S. 100)
187 Beschreibung und Vergleich in Kapitel 8.1.2.3.2
188 Doch scheint sie sich dort, wie gezeigt werden konnte, aus anderen Quellen entwickelt zu haben.
Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:
www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019 Autorin(nen) oder Autor(en): Schmelz, Annette PDF |