6.1 Hölzerne Emporen
Das heutige Bild der Alsfelder Walpurgiskirche wird in erheblichem Maße durch die hölzernen Emporen bestimmt, die die Länge beider Seitenschiffe einnehmen und sich um drei Seiten des Chores ziehen (Abb. 19 und 20).
|
|
|
Abb. 19: Walpurgiskirche, Langhaus nach Nordosten
[+] |
|
Abb. 20: Walpurgiskirche, Chor
[+] |
Die Datierung dieser Baumaßnahme ist in der Forschung umstritten. Michler nimmt an, dass alle Emporen der Zeit des Langhausausbaus 1472 entstammen.75 Für die Empore im südlichen Seitenschiff markiert eine 1913 aufgedeckte, teppichmusterartige Wandbemalung an der südlichen Seitenschiffswand den Anschluss der Empore und gibt den terminus ante quem (Abb. 21).76
|
Abb. 21: Walpurgiskirche, südliches Seitenschiff, Wandbemalung
[+] |
Für Schmidt dagegen sind die Holzemporen der Walpurgiskirche nachreformatorisch. Das Datum 1638 auf der Säule unter dem vorkragenden Ostteil der Chorempore gibt für Schmidt die Erbauungszeit der Empore, „auch die Langhausemporen sind wohl damals entstanden.“77 Dieser Datierung fügen sich die in Grüntönen gemalten Darstellungen der Apostel ein (Abb. 22), die ursprünglich die Brüstung der Nord-empore schmückten. Einige der alten Tafeln haben sich am westlichen Abschluss der Empore erhalten, sie werden von Schmidt in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts datiert.78
|
Abb. 22: Walpurgiskirche, Nordempore, Tafelmalerei
[+] |
Die Tafelbilder der Chorempore wurden 1656/57 durch den Maler Johannes Spreng ausgeführt.79 Sie zeigen Tugenden, Epitaphbilder, Personen der Bibel und Szenen aus dem Leben Christi (Abb. 23).
|
Abb. 23: Walpurgiskirche, Chorempore, Tafelmalerei
[+] |
Literatur- und Quellenverzeichnis
Dehio-Backes 1982. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen, bearb. von Magnus Backes, München [u.a.] 21982
Dehio-Cremer I 2008. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Hessen I, Regierungsbezirke Gießen und Kassel, bearb. von Folkhard Cremer, München [u.a.] 2008
Großmann 1960. Großmann, Dieter: Alsfeld, München [u.a.] 1960
Kuhlmann 1922. Kuhlmann, Friedrich: Die Wiederherstellung der Walpurgiskirche zu Alsfeld, in: Festschrift zur Siebenhundertjahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1922, S. 137-149
Michler 1972. Michler, Jürgen: Die Walpurgiskirche zu Alsfeld. Ihre Baugeschichte und kunstgeschichtliche Einordnung, in: Festschrift zur 750-Jahr-Feier der Stadt Alsfeld, Alsfeld 1972, S. 65-99
Schmidt 1993. Schmidt, Frank: Kirchenbau und Kirchenausstattung in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt von der Reformation bis 1803, 2 Bde., Phil. Diss. Heidelberg 1993
Walbe 1913-1928. Walbe, Heinrich: Baudenkmäler in der Provinz Oberhessen, in: Jahresbericht der Denkmalpflege im Volksstaat Hessen, 4a, 1913-1918, S. 149-308
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
75 Michler 1972, S. 95-96. Kuhlmann datiert die Empore im südlichen Seitenschiff auf das Ende des 15. Jahrhunderts (Kuhlmann 1922, S. 141), nach Großmann wurden die Langhausemporen um 1472 eingebaut. (Großmann 1960, S. 19)
76 Michler datiert sie auf späteres 15. oder frühes 16. Jahrhundert (Michler 1972, S. 95). Dies wird bestätigt durch Dr. Wilhelmy, Dom- und Diözesanmuseum Mainz, der die Wandmalerei in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, bestenfalls in die Zeit bis 1520/30 datiert. Vergleichbare Tierornamente sind bereits aus dem 14. Jahrhundert bekannt, die Ranken sind fortschrittlicher. Dr. Wilhelmy attestiert der Malerei eine gewisse Qualität, was gegen eine allzu verzögerte provinzielle Rezeption spräche. Eine Entstehung der hölzernen Langhausemporen in vorreformatorischer Zeit läge damit im Bereich des Möglichen. Eine eingehende Untersuchung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, scheint aber durchaus lohnend, da sich durch stilistische Vergleiche der Wandmalerei sowie eventuell eine dendrochronologische Untersuchung des Emporenholzes hier die Möglichkeit böte, zu einem tragfähigen Ergebnis zu kommen.
77 Schmidt 1993, S. 60-61
78 Schmidt 1993, S. 61. Die Tafelbilder der Reformatoren, die heute die Nordempore schmücken, wurden 1913/14 von den Kunstmalern Velte und Kienzle gemalt (Walbe 1913-1928, S. 153). Obwohl Dehio-Backes 1982, S. 9 auf die neue Bemalung der nördlichen Emporenbrüstung hinweist, lautet der Text in Dehio-Cremer I 2008, S. 11: „Die beiden Langhausemporen in den Seitenschiffen M. 17. Jh. mit Brüstungsmalereien von J. Spreng […], an der nördl. Empore Epitaphgemälde.“
79 Schmidt 1993, S. 61
Abb. 19, 20: Prometheus Bildarchiv
Abb. 21: Bildindex Marburg
Abb. 22, 23: Schmelz, Annette 2008
Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:
www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019
Autorin(nen) oder Autor(en): Schmelz, Annette
PDF |