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2 Quellen- und Forschungsgeschichte
2.2 Forschungsgeschichte
Die Rezeption der Alsfelder Walpurgiskirche setzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf lokalhistorischer Ebene ein. In den „Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld“ erscheint 1902 ein Artikel des Kunsthistorikers Frankl (Frankl 1902). Aufgrund einer Baubeschreibung und des Vergleichs mit Kirchen der Region versucht Frankl, die Baugeschichte zu rekonstruieren. Viele seiner Beobachtungen, so beispielsweise der Vergleich mit Geißnidda, sind von der späteren Forschung bestätigt worden, allerdings datiert er die frühgotische Basilika um 1240.
1906 publiziert der regionalgeschichtlich engagierte Alsfelder Pfarrer Becker einen Artikel in den „Mitteilungen“ (Becker 1906), der sich aber auf die Erneuerungen des Kirchendaches 1779 und 1906 beschränkt.
In den Jahren 1913/14 wurden Restaurierungsarbeiten durchgeführt, die von Regierungsbaurat Kuhlmann geleitet wurden. Sein Bericht (Kuhlmann 1922) weist einige Schwächen auf, seine Schlussfolgerungen zur Baugeschichte wurden zum Teil durch die neuere Forschung widerlegt. Der kurze Bericht des zuständigen Denkmalpflegers Walbe (Walbe 1913-1928) beschränkt sich darauf, den Zustand vor 1913 und die vorgenommenen Restaurierungsarbeiten zu nennen. Diehls Eintrag zu Alsfeld in „Hassia sacra“ (Diehl 1931) besteht zu weiten Teilen aus einem wörtlichen Zitat Walbes.
Das posthum erschienene Werk „Die Entwicklung der kirchlichen Baukunst im Kreise Alsfeld“ von Doerbecker (Doerbecker 1920) ist, bedingt durch den Kriegstod des Verfassers, nicht über den geschichtlichen Teil hinausgekommen.
Wilhelm-Kästner und Hamann widmen der Alsfelder Walpurgiskirche in ihrem 1924 erschienenen Buch über die Elisabethkirche in Marburg (Wilhelm-Kästner 1924) einige Seiten, um durch ihre basilikale Anlage ihre These von der ursprünglichen Planung der Elisabethkirche als Basilika zu stützen.
Eine etwas breitere Würdigung erfährt die Kirche in Meyer-Barkhausens Alsfeld-Band (Meyer-Barkhausen 1927), der als 1. Band der Reihe „Alte Städte in Hessen“ erscheint. Meyer-Barkhausen wendet sich dezidiert gegen Wilhelm-Kästners These, er rückt die Walpurgiskirche, wie schon Frankl, in den Umkreis der Kirche von Geißnidda, aber auch der Marienkirche Gelnhausen. Das Buch enthält auch den ersten maßstabsgetreuen Längsschnitt der Walpurgiskirche.
1958/59 publiziert Meyer-Barkhausen erneut über die Walpurgiskirche (Meyer-Barkhausen 1958/59), der kurze Aufsatz in „Hessische Heimat“ bringt aber keine neuen Erkenntnisse. Großmann verfasst in der Nachfolge Meyer-Barkhausens einen Kunstreiseführer Alsfeld (Großmann 1960), der sich weitgehend in der Baubeschreibung erschöpft, aber einen maßstabsgetreuen, unregelmäßigen Grundriss abbildet.
Der materialreiche Aufsatz Michlers (Michler 1972) läutet ein neues Kapitel in der Forschungsgeschichte der Walpurgiskirche ein. Aufgrund der Ausgrabungsergebnisse 1971/72 und mithilfe eines dezidierten Formenvergleichs gelangt Michler zu neuen Ergebnissen bezüglich der Datierung nicht nur der frühgotischen Basilika, sondern auch der Seitenschiffe. Die 1994 erschienene Publikation Mengels in den „Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins“ (Mengel 1994) erläutert Michlers Ergebnisse und versucht, die einzelnen Bauphasen zeichnerisch zu rekonstruieren. Von Mengel ist auch ein Aufsatz zur Baugeschichte des Turmes (Mengel 1995) in der Festschrift zum 600jährigen Turmjubiläum erschienen.6
Damit endet die kunsthistorische Rezeption der Alsfelder Walpurgiskirche. Jutta Müller erwähnt in ihrer Dissertation „Die Totenkirche St. Martin in Treysa – (k)ein Bau der Marburger Bauschule“ (Müller 1998) die Alsfelder Walpurgiskirche nur in wenigen Sätzen als direktes Zitat aus Michler. Einer eigenen Untersuchung scheint sie die Alsfelder Kirche, die in dem von ihr untersuchten Zusammenhang oft in einem Atemzug mit Treysa genannt wird, nicht für wert befunden zu haben. Matthias Müller vertritt in einer Monographie (Müller 1991) und einem Aufsatz (Müller 2001) die These, dass bauliche Formen der Kirchen in der untersuchten Region der politischen Lage dieser Zeit geschuldet seien, so beispielsweise den Auseinandersetzungen zwischen den Landgrafen von Hessen und Thüringen und den Mainzer Erzbischöfen. Obwohl diese politische Konstellation auch für die Alsfelder Walpurgiskirche von Bedeutung war und obwohl Müller die Marburger Stadtkirche, nicht zuletzt aufgrund ihrer kantonierten Pfeiler, in den Umkreis von Haina, Frankenberg, Friedberg und auch der Bettelordensarchitektur stellt, erwähnt er die Walpurgiskirche mit keinem Wort. Das Diktum Frankls, dass die Alsfelder Walpurgiskirche „vom großen Weltverkehr abseits“ liege,7 scheint sich in Bezug auf ihre kunsthistorische Rezeption zu bewahrheiten. Während die hessischen Hallenkirchen, in der Nachfolge der Elisabethkirche oder in Abgrenzung zu ihr, im Fokus des Interesses stehen, werden die basilikalen Kirchenbauten in Alsfeld, Geißnidda und Homberg/Ohm von der kunsthistorischen Forschung kaum beachtet.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Frankl 1902. Frankl, Paul: Zur Baugeschichte der Walpurgiskirche, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins der Stadt Alsfeld, 1, 1902/1907, Nr. 3, abgedruckt in: Hundert Jahre Mitteilungen des Geschichts- und Museumsvereins Alsfeld 1902 – 1922, hrsg. von Monika Hölscher, Alsfeld 2001, S. 35-42
Anmerkungen und Abbildungsverzeichnis
Zitiervorschlag:
Schmelz, Annette (2008): „Walpurgiskirche Alsfeld“, in:
www.urbs-mediaevalis.de/pages/staedtetopographie/bull-staedte-a/alsfeld/kirchplatz-1.php
letzte Aktualisierung dieser Seite: 07. Juni 2019 Autorin(nen) oder Autor(en): Schmelz, Annette PDF |